Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
zusammen und radelten zu Hobby Hubert . Wir brauchten dringend neue Modelle.
Und jetzt war ich wieder hier. Ich zählte mein Geld, es reichte noch für vier kleine Modellfahrräder aus Plastik. Der junge Hubert an der Kasse erkannte mich nicht und steckte mir noch einen dicken Prospekt mit Eisenbahnzubehör in die Tüte.
Zu Hause schloss ich mich in meinem Zimmer ein und ließ Eminem laufen; the Slim Shady LP, da klang er wütender und roher als auf den aktuellen Scheiben.
I cocked the broomstick back and swung hard as I could
and beat him over the head with it til I broke the wood.
Knocked him down, stood on his chest with one foot …
Mit Aufkleber, Marker und Plastikrädern setzte ich mich an den Schreibtisch und übermalte Tommis grinsende Babyfresse sorgfältig mit einem schwarzen Totenschädel. Keinen Fetzen des widerlich süßen Lächelns ließ ich unbedeckt, die Augenhöhlen übermalte ich wieder und wieder, als könnte ich sie so noch schwärzer machen. Löcher ins ewige Nichts.
Aus dem Schriftzug exte ich das … mmi heraus und ersetzte es durch … d . Dafür nahm ich große Druckbuchstaben und ein Lineal zu Hilfe – so konnte kein Grafologe die Schrift mehr zuordnen, hatte ich mal gehört, es machte sie zu unpersönlich.
Die Botschaft war es nicht.
»Tod auf Tour«, murmelte ich und betrachtete den Aufkleber. Er sah gut aus, ich hatte nur die drei Haare übersehen, die jetzt albern von der Schädelplatte abstanden. Hastig exte ich auch sie weg.
I’m the one who burned your house down.
Well I’m out now …
Meine Mutter klopfte an die Tür und rief: »Willst du nicht rausgehen? Die Sonne scheint so schön.«
»Später.«
»Pia ist auch draußen.«
»Später!«
»Gut.«
Ich steckte den Aufkleber in einen A5-Umschlag und klebte die Adresse von Herbert Gerber auf. Dafür nahm ich aus der Zeitung ausgeschnittene Buchstaben. Nicht, um nicht erkannt zu werden, sondern weil ich mir vorstellte, wie er die Sendung aus dem Briefkasten fischte und seine Anschrift aus Schnipseln entdeckte. Ausgeschnittene Buchstaben waren ein Klischee, und Klischees wirkten. Ich stellte mir vor, wie er sofort an Krimis dachte, beunruhigt, verängstigt. Wie er dachte, irgendwer sei entführt worden, seine Frau oder Tochter oder Mutter oder Cousine oder Geliebte. Diesen Augenblick, bis er den Brief aufriss, sollte er Angst haben, meinetwegen auch vor einer Morddrohung, ganz egal. Hauptsache Angst.
Für die Hausnummer verwendete ich normale arabische Ziffern.
Dann legte ich ein Plastikrad auf den Schreibtisch und schlug es mit der bloßen Faust in kleine Stücke. Ich schlug so fest zu, dass sich der Lenker schmerzhaft in mein Fleisch bohrte, auch die winzigen Pedale. Blut tropfte auf das helle Fichtenholz, der Permanentmarker rollte zu Boden, die Dose mit den Stiften hüpfte scheppernd auf der Stelle. Ich verfluchte den Schmerz und schlug wieder zu, wieder und wieder.
Fester und fester.
Die Dose fiel um, die Stifte ergossen sich über die Platte und weiter auf den Boden. Mit voller Wucht trat ich den erstbesten kaputt.
»Jan?« Erneut klopfte meine Mutter und rief auf dem Flur. »Was machst du da?«
»Hausaufgaben.«
»Hausaufgaben?«
»Ja, Kunst. Ein Objet trouvé.«
»Aha.« Sie klang nicht, als wüsste sie, was das war. »Und das muss so laut sein?«
»Nur noch ein bisschen.«
»Geht das nicht auch in der Garage oder im Vorraum?«
»Nur noch ein bisschen.«
»Na gut.« Vielleicht dachte sie, ich würde mir einen runterholen, wegen der verschlossenen Tür, aber ich hoffte, dann hätte sie gar nicht erst geklopft, sondern mich einfach in Ruhe gelassen. Außerdem war man dabei nicht so laut, niemand hämmerte dabei.
Ich starrte auf die Plastikstückchen. Man konnte noch erkennen, dass es ein Fahrrad gewesen war. Auf einigen Teilen war Blut, und das machte die Sache noch viel besser – echter. Aber dann dachte ich, dass Gerber den Brief bestimmt der Polizei zeigen würde, und die würde eine DNA-Analyse machen, und so leicht wollte ich mich nicht überführen lassen. Also schmiss ich das kaputte Rad weg, wischte das Blut von meiner Hand und klebte ein Pflaster darauf.
Das zweite Rad zertrümmerte ich mit dem Locher. Ich hatte einen richtig großen, schweren, der ständig klemmte und bei jeder Bewegung quietschte, den ich aber nicht wegwarf, weil ich ihn aus Großvaters Nachlass mitgenommen hatte, als ich sieben gewesen war. Mit einem Lineal schob ich die Bruchstücke in den Umschlag und klebte ihn zu.
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