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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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…«, stammelte sie. Endlich hatte die blinde Kuh sie bemerkt.
    »Ja.« Ich drehte mich noch einmal um und schoss einfach so auf das niedliche Rehkitz im Rasen, das aussah wie aus Porzellan, aber wohl nur aus Keramik war. Scheppernd zerbarst es, das Lächeln und die mitleidheischenden Augen waren nichts mehr als kantige Scherben. »Und sie ist sogar geladen.«
    Dann ging ich endgültig. Mein Herz schlug noch immer viel zu schnell, und ich zitterte.
    Sie japste hinter mir, und aus dem Haus dröhnte es: »Schatz? Was ist los?«
    Er bekam keine Antwort. Ich ging heim, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich hoffte, sie würden beide barfuß in die Scherben laufen.

36
    »Hey, Alter«, begrüßte mich Knolle. »Du stinkst tierisch aus dem Maul.« Und dann umarmte er mich.
    »Gut, dich zu sehen.« Auch Ralph umarmte mich. »Zu riechen weniger.«
    Das Haus sah nicht so schlimm aus wie gedacht. Der Wohnzimmertisch war noch immer auf der Terrasse, und überall stapelten sich leere Flaschen, doch im Bad stand kein Wasser auf dem Boden.
    »Keine Party heute?«, fragte ich.
    »Morgen wieder.« Knolle grinste. »Es sei denn, wir schmeißen gleich eine Willkommensparty.«
    »Gerade war Maik da«, sagte Ralph. »Er hat nach dir gesucht. Ziemlich gehetzt. Wir haben gesagt, du bist seit Tagen weg, und er ist davongestürzt.«
    »Erzähl, Mann, wo warst du?«
    »Ich putz erst mal Zähne«, sagte ich und sperrte mich im Bad ein. Sobald ich den üblen Geschmack los war, würde ich mich bei Lena melden. Sollte das Selina nicht passen, war das ihr Problem. Und Christoph würde es verstehen, er hatte nichts von ihr gewollt, und Lena würde sich irgendwann neu verlieben. Warum nicht in mich? Und warum nicht jetzt? Nicht denken, anrufen.
    Ich glotzte in den Spiegel und wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ich sah völlig fertig aus, unrasiert, übermüdet, angeschlagen und doch lebendiger als vor unserem Aufbruch. Irgendwas hatte sich verändert. Langsam drückte ich mir Zahnpasta auf die Bürste und begann zu putzen. Dabei zählte ich die Sekunden. Eins, zwei, drei …
    Christophs Eltern würden wegen des kaputten Rehs nicht die Polizei rufen und auch nicht meine Eltern, davon war ich überzeugt. Sie wollten kein Aufsehen, und ich wusste zu viel. Es war ja auch nichts passiert.
    Ich war gerade einmal bis zur Zwölf gekommen, da klingelte mein Handy. Es war Lena. Glücklich spuckte ich aus und ging ran.
    »Hey«, sagte ich fröhlich. »Ich wollte grad bei dir anrufen.«
    »Spinnst du?«, blaffte sie.
    »Was?«
    »Maik ist hier. Er sagt, die Pistole ist weg. Und Selina und ich haben sie nicht.«
    »Ich …« Mein Mund schmeckte nach Zahnpasta, doch darunter lag noch immer Übelkeit.
    »Hast du sie?«
    »Ja. Aber ich habe sie nicht gebraucht.«
    »Was heißt das? Wo bist du?«
    »Daheim.« Ich atmete durch. »Ich werde sie auch nicht brauchen.«
    Sie gab das weiter, und ich hörte, wie er rief: »Ich hol sie.«
    »Hast du gehört?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Sein Vater reißt ihm sonst den Kopf ab. Noch mehr als sowieso.«
    »Und deine Mutter?«
    »Lenk nicht ab. Was wolltest du mit der Waffe? Tust du dir was an? Nach Maik versuchst es jetzt du? Jetzt?«
    »Ich? Mir?« Ich klang so erstaunt, dass sie mir sofort glaubte.
    »Wem dann?«, fragte sie leise.
    »Niemandem. Wirklich. Ich hab nur ein wenig Porzellan zerschlagen, und nicht einmal echtes. Das musste sein.«
    »Okay«, sagte sie zögernd. »Alles in Ordnung?«
    »Nicht alles. Aber so viel wie möglich.« Ich zögerte. Mein Herz schlug wieder schneller. »Sorry, dass ich vorhin so komisch war. Ralph und Knolle schmeißen morgen eine Party. Hättest du Lust zu kommen? Ich würde mich echt freuen.«
    »Ich hab Hausarrest.«
    »Verdammt.« Ich verzog das Gesicht. »Wie lange?«
    »Die ganzen Sommerferien.«
    »Das ist hart. Ich hatte gehofft, wir könnten uns mal sehen.«
    »Vielleicht kann ich aus dem Fenster klettern.« Ich hörte sie lächeln.
    »Das wäre cool. Morgen?«
    »Vielleicht, hab ich gesagt.«
    »Okay, vielleicht. Aber wenn du eine Leiter brauchst, gib Bescheid. Ich bring dir eine. Oder du benutzt mich, hat Maik ja auch getan.«
    Sie lachte, und wir legten auf. Ich begann wieder mit dem Zähneputzen. Mit neuer Zahnpasta und wieder bei eins. Ich hatte noch bestimmt zwei Minuten, bis Maik hier wäre.
    Mein Vater sagte immer, man müsse zur Normalität zurückkehren und das Leben ginge weiter. Dabei hatte er nie verstanden, dass die beiden Floskeln sich grundlegend

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