Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
zum Anbandeln mit Anfassen. Gerade deswegen stellte sich die Platzwahl im Nachhinein als mein großer Glücksfall heraus.
Denn während wir da so an der Bretterwand lehnten, uns unterhielten und sie erfreulicherweise über meine Witze lachte, schwebte ich andernorts in großer Gefahr.
Ich glaub, die Story kenn ich nicht.
Das ist auch ganz gut so.
Ohne dass ich davon irgendetwas mitbekommen hätte, war der Tobi auf die junge Dame wohl ein bisschen sehr bremsig, und wer könnte es ihm verdenken. Aber entweder wusste sie das nicht, oder sie wusste es und sie war nicht interessiert, oder er wusste nicht, dass sie es nicht wusste, wie er zu wissen glaubte – ich habe nach wie vor keine Ahnung. Fakt ist, dass der Tobi ja nun in der Hudson’s Bay hinter dem Tresen stand und dort einen Job zu machen hatte. Und ich kann nachvollziehen, dass es echt nervig ist, wenn da ein Mädchen auf dem Platz ist, mit dem man gerne ein paar eingehende Worte wechseln würde. Stattdessen muss man aber für die Reisegruppe aus St. Pölten eine Runde Yukon Bombe nach der nächsten zusammenschütten.
Erfährt man dann auch noch durch irgendwen, dass der Krappweis gerade mit genau diesem Mädchen auf der Mainstreet gesehen wurde und dann plötzlich irgendwohin verschwunden ist, dann ist man begreiflicherweise erst einmal recht unentspannt.
Ihr habt zwischendurch aber schon auch was gearbeitet, oder?
Für den Tobi war es ja genau das Problem, dass er so ein zuverlässiger Barmann war. Sonst wär er ja gleich losgerannt, um mich zu suchen.
Hm.
Er rannte genau deswegen ja auch nicht sofort los. Stattdessen bat er darum, dass jemand vorbeikommen möge, um ihn kurz abzulösen. Er brauche nur zwanzig Minuten, um was zu erledigen.
Dich.
Ja, mich.
Während der Tobi nun ohnmächtig auf seinen Ersatz harrte und dieser leider sehr auf sich warten ließ, breitete sich der Frust vermutlich recht ungehindert in ihm aus und schlug schließlich um in blinde Wut. Anders kann ich mir nicht erklären, dass er zu solchen Maßnahmen griff. Ich bin heilfroh, dass ich mit seiner Angebeteten eben nicht eins der üblichen Verstecke aufgesucht und dort mit ihr ein paar verfängliche Posen durchexerziert hatte.
Denn just als ich mit dem Mädchen wieder auf die Mainstreet trat und sie sich von mir verabschiedete, um ironischerweise wieder nach Tobi in der Hudson’s Bay zu schauen, kam mir jemand entgegen und wies mich an, mich sofort zu verstecken! Ich weiß gar nicht mehr, wer es war, ich glaube der Sani-Peter oder der Long John? Auf jeden Fall schubste man mich in die Mexican Cantina und bleute mir ein, genau dort sitzen zu bleiben, bis die Luft wieder rein war.
Verwundert saß ich nun da, schaute aus dem kleinen Fenster und sah, wie ein paar meiner Kollegen gestikulierend miteinander redeten und dann wieder ausschwärmten. Ich zuckte die Achseln, holte mir was zu trinken und wartete erst einmal ab.
Eine Viertelstunde später schien es, als hätte sich die Lage entspannt. Die anderen trafen sich wieder vor dem General Store, nickten einander zu, lachten und sahen irgendwie erleichtert aus. Dann betrat mein Retter, mutmaßlich der Sani-Peter, wieder die Cantina und erklärte, dass die Gefahr gebannt und das Missverständnis weitestgehend aufgeklärt sei. Ich könne mich nun wieder frei auf dem Gelände bewegen. Verwundert fragte ich, um was für ein Missverständnis es sich genau handele und wieso bitte »frei bewegen«?
Es stellte sich heraus, dass der Tobi in seiner galoppierenden Raserei nichts Besseres gewusst hatte, als sich eine abgesägte Schrotflinte zu greifen, diese zwar mit Platzpatronen zu laden, die Läufe aber dafür mit Salz aufzufüllen.
Ja, das kenn ich. Das ist zwar nicht tödlich, weil es nicht so tief eindringt wie eine Patrone und weil sich das Salz ja dann auflöst, aber das tut wahnwitzig weh und ist trotzdem saugefährlich.
Warum weißt du so was?
Weil … man so was dann halt irgendwann weiß.
Hast DU ihm den Tipp gegeben?
Schmarrn.
Wir rekapitulieren: Der Tobi hatte also mit einer abgesägten, geladenen Schrotflinte im Anschlag alle üblichen Verstecke durchsucht, Türen aufgetreten und Gebüsche infiltriert – aber er hatte mich Gott sei Dank nicht aufgestöbert, da ich mich ja eben in keinem Versteck, sondern in freiester Wildbahn aufgehalten hatte.
Auf die Idee war er nicht gekommen, da für ihn ja sonnenklar war, dass die Dame seines Herzens mindestens auch die Dame meines sexuellen Interesses sein
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