Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
genommen, weil er ja wusste, wie der Mad Dog aussieht. Und in dem Durcheinander am Flughafen kann es ja leicht passieren, dass man wen übersieht.
Den Mad Dog übersehen? Niemand übersieht den!
Ich hatte ja keine Ahnung, was da auf mich zukommen würde.
Um die Geschichte zu verstehen, muss man noch wissen, dass 1989 war, kurz nach der Maueröffnung. Und das Sicherheitspersonal bestand zu einem großen Teil aus ehemaligen Volkspolizisten, die sich noch nicht wirklich an unsere zumindest vergleichsweise entspannte Situation zwischen Uniformierten und Zivilisten gewöhnt hatten. Man merkte richtig, wie die Schlangen am Sicherheitscheck länger wurden, es wurden deutlich mehr Leute gefilzt, und am Zollamt standen sie bis rüber zum Gepäckband.
Als dann um halb acht Uhr abends angezeigt wurde, dass die Maschine planmäßig gelandet sei, bekam ich plötzlich ein ganz komisches Gefühl in der Magengegend. »Robert …«, sagte ich, »irgendwas ist.« Der schaute mich an, als wär ich nicht ganz dicht: »Was soll denn sein? Die landen, wir packen die zwei ein und fahren.« Ich hab nur genickt und nix gesagt.
Tja und dann ging es los. Schon von weitem kriegten wir mit, dass irgendwas nicht so war wie sonst. Stimmengewirr, hektische Leute, eine Trillerpfeife.
Auftritt Mad Dog, USA: ein langhaariger, vollbärtiger, großer, schlanker Mann mit Cowboyhut und bodenlangem Ledermantel schiebt seelenruhig seinen Gepäckwagen vor sich her. Quer über den ganzen Ledertaschen liegt ein Vorderladergewehr … und ich denk schon, ich krieg einen Blutsturz, als er auch noch in seine Tasche langt und einen original Colt Walker Six-Shooter rauszieht! Den schiebt er sich für alle gut sichtbar vorne in den Gürtel. Ohne Holster oder sonst wie verdeckt!
Ich hab ja schon viel gesehen, aber da blieb auch mir der Mund offen stehen. Und der Robert überlegte kurz, ob er weglaufen sollte.
Mitten zwischen den Touris und dem frisch aus der benachbarten Ex-Diktatur rekrutierten Sicherheitspersonal schiebt der Mad Dog da sein Wägelchen durch, sieht aus wie der schwarze Reiter der Apokalypse, und das mit zwei scharfen Waffen.
Nein …
Wenn ich es dir sag.
Dazu seine abgefahrenen stechenden Augen …
Deswegen hieß er ja Mad Dog, weil er eigentlich immer aussah wie ein tollwütiger Hund.
Das passt. Und dann?
Ich drehte mich nur zum Robert um und sagte: »Robert, das wird eine lange Nacht«, während hinter mir mein zukünftiger Angestellter von einem Dutzend bewaffneter Sicherheitsleute umstellt wurde, die allesamt ihre Waffen zogen und ihn hektisch auf Deutsch anschrien. Solche Momente vergisst man nicht.
Und wie lang hat es dann gedauert?
Als wir endlich losfuhren, wurde es gerade hell.
Ach du Sch…
Und ich hatte gefühlte 28 Bürgschaftserklärungen und was weiß ich noch alles unterschrieben.
Das kann ich mir denken. Dass das überhaupt geklappt hat …
Der Mad Dog war eher suboptimal mit Papieren ausgestattet, und sein bloßer Anblick war auch nicht gerade förderlich. Als ich einer Frau vom Zoll erklärte, dass er in unserem Freizeitpark anfangen solle, starrte sie erst mich an, dann den Mad Dog. Dann sagte sie leise: »Ein Freizeitpark? … Für Kinder? « Zugegeben, er wirkte nicht gerade wie ein pädagogisch geschulter Kinderbetreuer. Vor dem Mad Dog konnte man sogar Angst haben, wenn er freundlich lächelte. Dann vielleicht sogar noch mehr. Na ja, Gott sei Dank hatte ich einen guten Draht zum Landeskriminalamt, und das hat dann im Endeffekt den entscheidenden Dreh ausgemacht.
Aber warum hat er … er hätte das doch auch, ich weiß nicht, im Sperrgepäck aufgeben können, oder …
Das haben wir ihn später auch gefragt. Die Antwort war typisch Ami: Er wollte einfach einen guten Auftritt für seinen neuen Boss hinlegen, den der nie vergisst.
Ist ihm gelungen.
Ja, ich denk da heut noch manchmal dran.
Wenn das heute passiert wäre, hätten sie ihn vermutlich gleich verhaftet und zurückgeschickt.
Oder direkt erschossen, als er den Revolver aus der Tasche holte.
Oder so, ja.
Kapitel 31: Das kleine Bestiarium
oder: Kleinvieh macht auch Stink
Von Heinz Bründl
G anz zu Beginn konnte man in No Name City auch western-typische Waschbären und Stinktiere besichtigen.
Aber Stinktiere spritzen doch dieses Zeug, was so irre stinkt. War das kein Problem?
Das war nur zu fünfzig Prozent ein Problem.
Das verstehe ich nicht.
Eins der beiden Stinktiere war operiert und konnte nicht mehr spritzen, das andere war
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