Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
urig zusammengenagelten Tischen. Im Kamin prasselte ein Feuer, und die kleinen Fenster ließen auch tagsüber kaum Licht herein.
Der krumme und schiefe Tresen stellte sich erst auf den zweiten Blick als anachronistisch heraus, weil dort ein Waschbecken und eine Zapfanlage eingebaut worden waren.
Das musste schon sein, aus hygienischen und auch technischen Gründen.
Wenn da am Wochenende richtig Betrieb war, kam man als Barmann anders auch kaum hinterher.
Und heutzutage will dann doch jeder Kunde ein halbwegs sauberes Glas.
Genau, bitte alles so authentisch wie möglich, aber krieg ich einen Strohhalm zu meinem Latte macchiato?
Na ja, wir waren eben ein Freizeitpark und kein Museum.
Hast du das manchmal bereut?
Nicht wirklich. Da fehlt der Spaß. Du kannst ja mal in einem Museum eine »Yukon Bombe« bestellen und schauen, was dann passiert.
Nix.
Genau.
Die »Yukon Bombe« wird heutzutage beschrieben als ein Mix aus »Yukon Jack« und Energydrink. Eine kurze Facebook-Diskussion und Wikipedia-Recherche lassen vermuten, dass Red Bull zu dieser Zeit zumindest in Österreich schon erhältlich war. Ich bin mir aber sicher, dass wir in No Name City keine Energydrinks serviert haben. Also muss die Yukon-Bombe damals aus anderen Zutaten zusammengeschüttet worden sein.
Wir hatten damals ja auch ein gespaltenes Verhältnis zu Österreich.
Oder sagen wir mal ein gespaltenes Verhältnis zu: »Reisegruppen zumeist österreichischer Herkunft, die die Fahrzeit damit zugebracht haben, sich komplett wegzulöten« …
Ja, von mir aus sagen wir das so.
Die »Yukon Bombe« allerdings bereitet nicht nur mir bis heute Kopfzerbrechen, nein, ich denke, dass auch andere sich dank dieser abenteuerlichen Mixtur schon mal den Kopf zerbrochen haben – vermutlich an mehreren Stellen und mit bleibenden Schäden. Denn ich hege den berechtigten Verdacht, dass dieses Getränk im Wesentlichen aus dem bestand, was gerade zur Hand war.
Das mag ein Grund dafür sein, warum man die »Yukon Bombe« nicht in der Nähe des offenen Kaminfeuers genießen durfte. Schon der entzündliche Atem konnte explosionsartige Rückkopplungen in den Magen-Darm-Trakt zur Folge haben, und auch wenn dies im dämmrigen Raum ein imposantes Schauspiel abgab, war doch insgesamt davon abzuraten. Schließlich waren zumindest am Nachmittag auch Kinder anwesend, und denen sollte man so etwas wirklich nicht vormachen.
Was einer anderen Spezialität namens »Goldwasser« den Namen gab, konnte man mit bloßem Auge erkennen: Hauchdünne Blattgoldplättchen schwebten in klarem Likör. Angeblich ist diese Spezialität auf das Vergolder-Handwerk zurückzuführen, denn die Vergolder reinigten ihre goldigen Pinsel in Alkohol. Verdünnt und gewürzt, soll die glitzernde Reinigungsflüssigkeit ein wohlschmeckendes Likörgetränk ergeben haben. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Herstellung von »Goldwasser« heute gänzlich ohne Vergolderpinsel und Reinigungsalkohol auskommt.
Einer der Kollegen hinter dem Tresen der Hudson’s Bay war der Tobi. Den Tobi sah man als Nicht-in-der-Hudson’s-Bay-Beschäftigten eigentlich nur, wenn er mit seinem Schubkarren Feuerholz von einem Ende des Parks zum anderen fuhr. Ansonsten war er immer im Zwielicht hinter seinem Tresen anzutreffen und servierte dort unter anderem Dinge, die uns garantiert Probleme gemacht hätten, wenn das Gesundheitsamt von ihrer Existenz auch nur geahnt hätte.
Oft gab’s die Zusammensetzung ja nur einen Abend lang.
Entsprechend kurz war dann für so manchen der lange Abend.
Aber entsprechend lang hatte man dann am Tag danach davon.
Der Tobi war ein netter, eher ruhiger Typ. Genau der richtige für so ein Etablissement, in dem die Luft ähnlich viel Promille hatte wie die Getränke. Nur einmal bekam ich mit, wie er in die Luft ging. Und daran war ich nicht unbeteiligt, aber auch nicht wirklich schuldig.
Ich kann mich nur noch sehr schemenhaft an ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen erinnern, mit dem ich mich an einem Samstagabend eine Zeitlang recht nett unterhalten hatte. Und ich meine wirklich unterhalten, im Sinne von miteinander reden. Ich sehe sie nur noch undeutlich vor mir, aber ich glaube, wir standen neben dem Hotel, an dem die alte Messerwand lehnte, an der wir ab und zu übten, mit Messer und Tomahawks zu werfen. Es kam schon alleine deswegen zu keiner kompromittierenden Situation, weil hier alle paar Minuten der vollbesetzte Bummelzug vorbeifuhr – also kein adäquates Versteck
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