Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
Höllenqual, Erkenntnis und innere Lebensbeichte zugleich. Reue, Trauer und Mitleid mit den Zurückbleibenden – all das würde ich nun in meinen Tod einarbeiten, und alle würden erkennen, zu welch tiefer Darstellung ich fähig war, würde man mich nur lassen … wenn nicht …
… wenn nicht der Long John dir die Schau gestohlen hätt.
Ja, und wie.
Mein Kontrahent wandte sich nämlich einfach ab von meiner Oscarszene, stakste hinüber zu Walter, griff sich die Rolle Geldscheine aus dessen Hand, tippte grüßend an den Hut und verschwand dann mit einem Jolly-go-lucky-»Prost!« im Saloon.
Keiner sah mehr zu mir! Keiner nahm mehr Notiz von dem tragischen jungen McAllister, der auf der Mainstreet dumm hin und her schwankte, um den Moment seines Ablebens so lange hinauszuzögern, bis irgendeiner dieser Ignoranten wieder zu mir schaute. Verdammte Scheiße. Hallo? Irgendjemand? Ich verrecke hier gerade!
In meiner rampensäuischen Not blieb mir nur eines übrig: Ich musste Long Johns Abgang irgendwie toppen. Ich sah mich um … und hatte eine Idee.
Die war gar nicht so arg schlau, die Idee.
In dem Moment schon.
Ja, wennst meinst …
Danach haben alle wieder zu mir geschaut!
Das stimmt.
Ich stieß einen schmerzvollen Schrei aus, um mir der Aufmerksamkeit der Umstehenden sicher zu sein. Dann fingerte ich zittrig nach meinem Colt und hob ihn stöhnend hoch. Mit letzter Kraft zielte ich auf den verdammten McGraw, diesen alten Bock, der meinen Killer bezahlt hatte und nun dafür auch elendig verrecken würde! Dabei stolperte ich ein paar Schritte vorwärts auf ihn zu. Noch ein Schritt … noch ein halber … doch dann verließen mich meine Kräfte, ich ließ den Revolver sinken … er glitt mir aus den schlaffen Fingern … ich verdrehte die Augen … mein Leben glitt an mir vorbei … ich flüsterte: »Mutter, es tut mir so leid …«
Du hast auch gar nix ausgelassen.
Wo denkst du hin.
… und fiel rückwärts mit der ganzen Wucht eines jungen Mannes, der noch im Sturz die letzten Lebensgeister aushaucht, in die große, bis zum Rand gefüllte Pferdetränke.
PATSCH.
Es spritzte wie die Mutter aller Arschbomben, und alle Umstehenden kreischten laut auf. Einige wurden richtig hübsch nass, andere weniger, lachten dafür aber umso lauter.
Noch unter Wasser hörte ich, wie Applaus aufbrandete, und ich wusste, ich hatte das Duell verloren, aber die Szene gewonnen. Dass ich im Endeffekt dastand wie dem Depp sein Wurstbrot, bemerkte ich erst, nachdem ich aus dem Bottich aufgetaucht war, komplett durchnässt auf der sonnenlosen Mainstreet stand und dabei überraschend schnell auskühlte.
Noch während ich im Geiste meine Wechselklamotten durchging und feststellte, dass ich nur eine einzige Hose besaß, die aus Leder war und darum ewig zum Trocknen brauchen würde, kam mein Chef auf mich zu.
Ich.
Ich weiß.
Und ich hab dir gesagt, dass mir das gut gefallen hat und dass wir das ab sofort in den Samstagsablauf mit integrieren.
Ich weiß das.
Und ab diesem Tag bist du jeden Samstag, immer wenn die Sonne gerade untergegangen war, bei jedem Wetter bis in den Herbst hinein am Ende eures Duells brav in die Pferdetränke gefallen.
Ich weiß auch das, Heinz. Sehr gut sogar.
Der Long John hat sich im Saloon jedes Mal kaputtgelacht.
Das … wusste ich nicht.
Jetzt weißt du’s.
Kapitel 29: Hopfen und Malz
oder: Gott versalz
Von Tommy Krappweis
D iese Kapitelüberschrift erschließt sich vielleicht nicht auf den ersten Blick, aber ich bin zuversichtlich, dass Sie am Ende dieses Kapitels wissen, was gemeint ist. Falls ich dann selbst nicht mehr nachvollziehen kann, was die Überschrift bedeuteten sollte, werde ich sie rückwirkend ändern. Das wiederum würde diesen kompletten Absatz völlig überflüssig machen, da ich ihn dann natürlich löschen würde. Bevor mir schwindelig wird, fang ich mal an zu erzählen …
Besser wird’s sein.
Das hoffe ich auch.
Wenn man zwischen der Indianer-Erdhütte und der Goldmine hindurch in Richtung des hintersten, linken Ecks von No Name City lief, gelangte man recht bald an einen besonders wirkungsvollen Ort. Hier war nämlich eine originalgetreue Hudson’s Bay Indian Trading Post aufgebaut.
Die Trading Post glich einer Mischung aus Museum und Filmset. Wenn man drin stand, fühlte man sich wirklich in der Zeit zurückversetzt. In derselben Hütte war auch eine Bar, aber natürlich keine gewöhnliche. Hier saß man auf roh behauenen Holzblöcken an ebenso
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