Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
perfektes Paar. Als ebendieses kamen sie zu Mehmets erstem Besuch an seiner neuen Arbeitsstätte mit dem Auto angefahren. Sah man Mehmet durch die Windschutzscheibe oder das Seitenfenster im Auto sitzen, wirkte er wie ein normalgroßer Mann. Das änderte sich nur, sobald er ausstieg. Denn natürlich war sein Auto speziell für Kleinwüchsige gestaltet. Die Pedale waren verlängert, und auch alles andere war so eingerichtet, dass er es mit Armen und Beinen komfortabel erreichen konnte.
In No Name City aber war nichts auf Kleinwüchsige eingerichtet – weder die Architektur noch die Mitarbeiter. Und genau das sorgte an diesem Tag für ein paar kuriose Situationen.
Hast du am Anfang noch vorgehabt, ihm von dem lustigen Holster zu erzählen?
Ganz ehrlich? Die Idee hab ich begraben, als ich ihn das erste Mal gesehen hab. In echt wirkte er einfach viel … massiger, ohne dass ich ihn jetzt dick nennen will.
Auf jeden Fall nicht holsterkompatibel.
Nein, und mir war das natürlich auch ein bisschen peinlich.
Hattet ihr das wirklich schon genäht …
Ja, Herrgott! Und jetzt reden wir über was anderes.
Okay.
Heinz Bründl empfing die beiden schon am Parkplatz und bot an, ihnen erst einmal den Park zu zeigen. Mehmet und Ruthchen willigten ein, und der Heinz stapfte los. Nach ein paar Schritten bemerkte er allerdings, dass sein üblicher, etwas forscher Schritt nicht zur Geschwindigkeit von Mehmet und Frau passte. Da die natürlich keine Veranlassung sahen, hinter Heinz herzurennen, sah sich dieser gezwungen, entweder sehr, sehr langsam zu schreiten oder eben immer wieder zu warten.
Ich bin eher keiner, der rumtrödelt.
Das stimmt. Aber du warst rücksichtsvoll.
Selbstverständlich. Aber für mich war das auch neu, ich hatte vorher noch nie einen Kleinwüchsigen kennengelernt. Das war sozusagen mein erster.
Du warst ganz toll, hat man mir erzählt.
Jaja, ausgelacht haben sie mich alle.
Weil sie dachten, du wärst gaga.
An sich wäre das gedrosselte Tempo vom Heinz nicht sonderlich berichtenswert, hinzu kam aber noch ein anderer Umstand, der dem Ganzen eine deutlich unterhaltsamere Komponente gab: Da Mehmet und Ruthchen nur einen Meter groß waren, wurden sie natürlich immer wieder von entsprechend dimensionierten Objekten verdeckt!
Dies konnten ein paar dekorative Fässer auf der Mainstreet sein oder die Brüstung eines Fensters, einer Veranda oder jedes andere halbhohe Ding. Und in einer Westernstadt gibt es eine Menge halbhohe Dinger.
Man stelle sich jetzt die Verwunderung der Kollegen im Saloon vor, als sie durch das Fenster neben der Schwingtüre ihren Chef sehr, sehr langsam die Mainstreet hinunterstaksen sahen. Immer wieder bleibt er stehen, deutet sinnlos herum und brabbelt dann irgendetwas. Dann schweigt er einen Moment, nickt, läuft in seinem üblichen Tempo weiter und aus dem Blickfeld, kommt aber plötzlich wieder zurück, brabbelt abermals und geht dann den gleichen Weg noch einmal aus dem Bild – diesmal aber gaaaanz laaaangsaaaam.
Die haben alle gedacht, jetzt ist es aus mit ihm.
Weil da ja ganz offensichtlich sonst niemand war, mit dem du hättest reden können.
Also weiter weg wär vielleicht schon jemand gewesen, aber eben nicht so nah, dass das zu meinem eher privaten Tonfall und dem Blick gepasst hätt … Das muss schon seltsam ausgesehen haben.
Außerdem hast du ja nicht so gesprochen wie sonst.
Ja überhaupt nicht! Die beiden waren den bayerischen Dialekt ja kaum gewöhnt und der Mehmet damals schon gleich zweimal nicht. Also hab ich mich natürlich zusammengerissen und langsam und deutlich gesprochen.
Das hat bestimmt noch irrsinniger gewirkt.
Ja, wahrscheinlich war das besonders verwirrend für die anderen …
Noch viel verwirrter als alle anderen aber waren Patrick und Jean-Luc. Die beiden arbeiteten hinter dem Tresen der offenen Küche, und wie es der Gott des gnadenlos göttlichen Timings so wollte, kamen beide gerade dort an, als Mehmet und Ruthchen bereits vor dem Tresen im Schatten standen. Patrick und Jean-Luc aber konnten weder Mehmet noch seine Frau sehen. Dafür aber Heinz Bründl, der augenscheinlich alleine vor ihnen stand und in einem überdeutlich artikulierten Hochdeutsch mit bayerischem Einschuss sprach: »Hier gibt eees Pommes Frites, Chili con Carne und … äh … Westernwuarscht.«
So schlimm wird’s nicht gewesen sein.
Ich glaub schon.
Patrick und Jean-Luc waren ja nun durchaus im Bilde über das Angebot der Küche, denn es war das Gleiche
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