Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Mauricio wundert sich, wo das alles auf einmal herkommt. Amazing numbers . Was heißt noch mal amazing ? Offenbar was Positives. Was genau, weiß er nicht, aber das ist in dem Fall auch egal.
»Um es kurz zu machen: Im letzten Fax fragen sie nach den Konditionen und erwähnen einen argentinischen Unternehmer, der für sie die Vorverhandlungen führt.«
Mauricio räuspert sich und rückt den Knoten seiner Krawatte zurecht. Ticks, in die er verfällt, wenn er Zeit gewinnen will. Er ruft Natalia und hält ihr, als sie in der Tür erscheint, die Faxe und Mails hin.
»Kopierst du bitte diese Dokumente für mich?«, sagt er. Und an Salvatierra gewandt: »Du hast doch nichts dagegen, oder?«
»Nein, nein, überhaupt nicht«, antwortet Salvatierra pflichtschuldig. »Dafür hab ich sie ja mitgebracht.«
Als Natalia wieder weg ist, reibt sich Mauricio das Gesicht. Er versucht nachzudenken. Verdammter Mist. Ausgerechnet jetzt.
»Hast du Fernando schon kontaktiert?«
»Nein, noch nicht. Ich wollte erst mal mit dir reden. Weil du Anwalt bist, dachte ich.«
»Gut gemacht. Und dabei sollten wir es auch belassen. Du weißt ja: Viele Köche …«
»… verderben den Brei«, vollendet Salvatierra, als wäre es eine sprachliche Meisterleistung, auf die er stolz sein darf. Kaum zu glauben, dass dieser Typ mal Spielerberater war. Na ja, so wie kaum zu glauben ist, dass Fernando und Ruso als Spielervermittler auftreten. Oder dass Pittilanga Profifußballer ist.
»Wie sieht denn die Lage bei Platense aus? Was haben die mit dem Jungen vor?«
»Ah, darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen!« Salvatierra ist wieder ganz in seinem Element. »Das Ausleihgeschäft an Atlético Mitre endet diese Saison. Der Trainer von Mitre würde ihn gern behalten, aber das geht nicht, weil es bereits das zweite Jahr wäre. Er muss also zurück zu Platense. Platense wiederum hat kein Interesse an dem Jungen, also wird man ihm die Freigabe erteilen. Sollten wir einen Interessenten finden, geben sie bestimmt grünes Licht.«
»Hast du den Leuten von Platense von dem Angebot erzählt?«
Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage. Ob man bei Platense Bescheid weiß. Ob Vidal Bescheid weiß. Denn wenn Vidal Bescheid weiß, weiß auch Williams Bescheid. Und wenn Williams Bescheid weiß, wird er bei Gott und der Jungfrau Maria schwören müssen, dass er nichts damit zu tun hat. Rein gar nichts.
»Nein! Bisher weiß nur ich davon. Und jetzt du.«
Mauricio versucht sich nicht anmerken zu lassen, wie erleichtert er ist. Das Ganze ist also nur halb so schlimm. Dann mal ran ans Werk.
»Was dich angeht«, sagt er in einem wesentlich herzlicheren Ton als zuvor, »dich und Pittilanga. Wie seid ihr da verblieben? Ich meine: Bist du noch sein Spielerberater?«
»Na ja, offiziell nicht. Die Verträge waren befristet, und die Frist ist inzwischen abgelaufen.«
»Und ihr habt die Verträge nie erneuert?«
»Nicht formell. Andererseits ist es ja kein Zufall, dass die Saudis sich an mich wenden, Vertrag hin oder her.«
»Sicher«, stimmt Mauricio ihm zu, während seine Miene zum Ausdruck bringt, dass es alles andere als klar ist.
»Warum fragst du?«, sagt Salvatierra.
Mauricio stützt sich mit den Ellenbogen auf den Schreibtisch. Er kriegt es nicht so gut hin wie Williams, aber für diesen Anfänger reicht es.
»Soll ich ehrlich sein?«
»Ja, bitte.«
»Du bewegst dich in einer rechtlichen Grauzone, Polaco. Ich verstehe schon, was du sagst. Aber die Realität ist das eine, und ein Vertrag was ganz anderes. Rein rechtlich betrachtet bist du raus, verstehst du?«
Salvatierra schwitzt. Er blickt nach links und rechts, wie um sich zu vergewissern, dass es für diese Schlussfolgerung keine Zeugen gibt.
»Darüber kann man doch reden. Finde ich.«
»Kann man schon. Aber damit handelst du dir nur Ärger ein. Weil du von vorneherein in einer schwachen Position bist.«
»Mag sein, Mauricio. Aber das ist meine Chance, und um diese Chance werd ich kämpfen.«
»Wenn du jetzt kämpfst, hast du gleich verloren. Vergiss nicht, dass du schon bessere Tage gesehen hast.« Mauricio schweigt und sieht ihn an: dunkle Ringe unter den Augen, gerötete Netzhaut, zitternde Oberlippe. Wie lange wird er es wohl aushalten, bis er fragt, ob er auf die Toilette kann, um sich was reinzuziehen?
»Darf ich dir eine Alternative vorschlagen?«
Salvatierra nickt.
»Hier in der Kanzlei ist man daran interessiert, einen Fuß in die Welt des Fußballs zu kriegen. Um genauer zu sein: mein
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