Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Foto von Mario taucht auf, im Trikot der Nationalmannschaft, aus seiner Zeit bei der U-17.
»Das Foto hat er uns gegeben«, kommt Ruso Fernandos Frage zuvor.
»Hat er die Webseite schon gesehen?«
»Ob er sie gesehen hat? Er geht zweimal am Tag drauf. Mindestens.«
Fernando rückt näher an den Bildschirm heran, um besser lesen zu können.
»Zweiundvierzig Tore. Das glaubt doch kein Mensch.«
»Wir haben auch die aus den Jugendmannschaften dazugezählt.«
»Aber er spielt doch jetzt als Verteidiger.«
»Ist doch egal. Passarellas Täubchen.«
»Ah. Wer wurde noch mal so genannt? Irgendein junger Spieler von Boca, oder?«
»Samuel?«
»Nein, Cristo. Viel früher.«
»Warte. Liegt mir auf der Zunge.«
»Hört mal.« Fernando will vermeiden, dass sie vollkommen abdriften. »Sind Pittilangas Daten schon in die Rubrik Spiel für Spiel eingetragen?«
»Was denkst du denn? Dass wir Pfuscher sind?«
Fernando liest die Seite, die sich gerade aufgebaut hat. »Dreiundvierzig vereitelte Angriffe im Spiel gegen Boca Unidos aus Corrientes? Wer soll das denn bitteschön glauben?«
»Ist dein Freund immer so negativ?«, fragt Cristo.
»Und wie. Ein Fluch.«
»Ich mein’s ernst.«
»Schau dir erst mal den Link Beste Partie an.«
»Wie?«
»Jeder Spieler hat so einen Link. Zeig ihm mal den von Pittilanga.«
Wieder baut sich eine neue Seite auf, mit den Daten eines vermeintlichen Spiels zwischen Bartolomé Mitre und Santamarina de Tandil vor zwei Monaten.
»Hat die Partie auch wirklich stattgefunden?«
Die beiden sehen ihn an, als hätte er sie beleidigt.
»Natürlich hat die Partie stattgefunden. Wir retuschieren nur die Einzelleistung. Sonst nichts.«
»Na ja, manchmal frisieren wir auch das Ergebnis ein bisschen.«
»Ja, aber nur manchmal.«
Fernando liest. Laut dieser Statistik hat Pittilanga fünfundfünfzigmal den Ball zurückerobert. Davon hat er vierzigmal zu einem Mitspieler gepasst und ist zweimal selbst marschiert. Den Rest hat er ins Seitenaus geklärt. Außerdem haben diese beiden Irren ihm eine Torvorlage und einen Freistoß an die Latte untergeschoben.
»Meint ihr im Ernst, dass irgendjemand das glaubt?«
»Der Glaube versetzt bekanntlich Berge.«
»Ihr spinnt ja.«
»Wie ich gesagt hab: ein Skeptiker. Zeig ihm mal die Rubrik Wettbewerb .«
»Was für ein Wettbewerb?«, fragt Fernando neugierig.
»Eine Idee von deinem Freund hier«, erklärt Cristo. »Seiner Meinung nach reicht es nicht, nur Daten anzubieten.«
»Jedenfalls nicht, wenn man nur Infos über Pittilanga präsentiert.«
»Also haben wir uns gedacht, wir suchen uns Mitarbeiter.«
»Lagern die Feldarbeit aus.«
»Los, zeig’s ihm.«
Cristo ist zur Homepage zurückgekehrt. Er klickt auf ein Kästchen mit dem Titel: Hoffnungsvolle Nachwuchsspieler nach der Sportstatistik 2010 . Auf der Seite werden Jugendliche aus dem ganzen Land aufgefordert, sich an dem gleichnamigen Wettbewerb zu beteiligen. Teilnahmebedingung ist das Einsenden von Statistiken aus den Partien der unteren Ligen.
»Ich glaub’s einfach nicht. Und da hat tatsächlich jemand was eingeschickt?«
»Du bist ja schlimmer als der heilige Thomas. Wie viele Teilnehmer haben wir bis jetzt, Cristo?«
»Moment. Sechshundertvierundvierzig, Chef.«
»Danke.«
»Das ist doch die reinste Verarsche.«
»Überhaupt nicht. Diese jungen Leute glauben an Ruscris Communications. Sie hoffen darauf, den Preis zu gewinnen. Wie kommen wir dazu, ihnen ihren Traum madig zu machen?«
»Und worin besteht der Preis?«
»Teil der Redaktion von www.engedeckung.com.ar zu werden.«
»Ihr habt ja einen Knall.«
»Also«, sagt Ruso, als hätte er ihn nicht gehört, und dreht sich zu Fernando um. »Was meinst du?«
Fernando sieht wieder auf die Webseite. Er glaubt nicht, dass sie zu irgendetwas nütze sein wird. Aber diese glänzenden Statistiken zu Pittilanga haben schon etwas Tröstliches.
»Beeindruckend. Ich weiß allerdings nicht, ob jemand aus dem Ausland wirklich –«
»Moment!«, fällt ihm Ruso ins Wort, als hätte er das Allerwichtigste vergessen. »Zeig ihm die Seite mit den Stars!«
»Aye, aye, Käpten.« Cristo kehrt zum Suchfeld der Seite zurück, gibt drei Wörter ein und drückt Enter. Auf dem Bildschirm erscheint ein Foto, das etwas größer ist als die bisherigen. Es zeigt einen Spieler im Trikot von Deportivo Morón, mit der Nummer fünf. Das Merkwürdige ist nicht das Foto selbst – typische Haltung nach einem Schuss, leicht verdreht, die Muskeln
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