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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Sacheri
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angespannt, die Arme leicht angewinkelt –, sondern das Gesicht: Es ist Rusos. Und oben auf der Seite steht tatsächlich: Daniel Hugo Gutnisky .
    »Na, was sagst du?« Ruso klopft ihm so heftig auf die Schulter, dass es wehtut. »Sehe ich nicht spitze aus? Was für ein Spieler!«
    »Du hast wirklich einen Knall, Ruso.«
    »So, und jetzt lies den Lebenslauf. Los.«
    Fernando gehorcht. Angeblich ist Ruso zweiunddreißig und spielt im defensiven Mittelfeld bei Deportivo Morón, mit denen er zweimal aufgestiegen ist. Seine Statistik ist noch beeindruckender als die von Pittilanga, da braucht er gar nicht genauer zu lesen.
    »Du bist nicht zu retten, Ruso. Was, wenn jemand wirklich auf die Seite geht und diesen ganzen Quatsch liest? Das wär’s dann nämlich mit der Glaubwürdigkeit.«
    »Du alter Miesepeter. So was lass ich mir doch nicht entgehen. Zeig ihm mal deine Seite, Cristo.«
    Darauf hat Cristo nur gewartet. Wieder erscheint ein Spieler in athletischer Pose, wieder im Trikot von Morón, nur diesmal als Stürmer.
    »Ich spiel lieber vorn. Hinten, das überlass ich dem da.«
    »Cristo wurde zweimal hintereinander Torschützenkönig. Los, zeig’s ihm.«
    »Schämt ihr euch denn gar nicht?«
    »So viel Arbeit, wie wir da reinstecken, ist das doch wohl das Mindeste. He, Cristo! Du hast dir ja seit gestern noch fünfzehn weitere Tore genehmigt!«
    »Stimmt nicht!«
    »Doch. Ich hab mich gestern von zu Hause eingeloggt, da hattest du hundertzwanzig. Und jetzt hast du hundertfünfunddreißig.«
    »Wie soll er denn zu hundertfünfunddreißig Toren gekommen sein?«, sagt Fernando wie ein Prediger in der Wüste.
    »Du bist mir vielleicht ein Spaßvogel, Cristo. Wenn du dir hundertfünfunddreißig gibst, gib mir wenigstens achtzig.«
    »Nur gegen eine Gehaltserhöhung.«
    »Ihr seid so was von daneben, ihr beide«, sagt Fernando und schüttelt den Kopf.
    »Okay, Ruso. Wenn du mir schon keine Gehaltserhöhung geben willst, dann lad mich wenigstes zum Grillen ein.«
    »Passt dir kommenden Sonntag?«
    »Mit Innereien.«
    »Die Klassiker.«
    »Bries.«
    »Vergiss es.«
    »Mit Bries oder es bleibt bei deinen siebzig Treffern.«
    »Weißt du, wann ich das letzte Mal Bries auf dem Teller hatte? Du willst wohl, dass meine Töchter am Hungertuch nagen.«
    »Willst du nun mehr Treffer oder nicht?«
    Fernando betrachtet die beiden. Plötzlich sieht er wieder vor sich, wie Ruso sich auf dem Friedhof über ein Blumenbeet krümmt, mit Augen, die vor lauter Weinen ganz bläulich sind. Es ist schön, ihn wieder so fröhlich zu erleben.
    Ruso wendet sich ihm zu, um etwas zu sagen, aber offenbar ist ihm an Fernandos Gesichtsausdruck etwas aufgefallen.
    »Was ist denn mit dir los?«
    »Mit mir? Nichts. Wieso?«
    »Raus mit der Sprache. Mit dir ist doch was.«
    »Nein, wirklich nicht. Ich überlege nur, ob ich nicht selber eine Seite will. Wie wär’s als Innenverteidiger?«
    Guadalupe
    Es war ein Mädchen. Guadalupe. Alle – Familie, Freunde, Bekannte – wunderten sich, wie schnell sich die beiden auf diesen Namen geeinigt hatten. Es war – wie Fernando später dachte – wie das Auge des Sturms, dieser Moment falscher Ruhe mitten in einem Orkan. Man sah sie in der Klinik – Lourdes erschöpft, Mono strahlend vor Glück, das Baby kerngesund – und dachte, dass sie vielleicht doch miteinander glücklich werden könnten.
    Aber es war nur eine Illusion, die kaum länger dauerte als eine der unzähligen Versöhnungen, mit denen sie sich selbst so oft etwas vorgemacht hatten. Ihr gemeinsames Leben war schnell wieder der alte Albtraum, und er dauerte an, bis Guadalupe sieben Monate alt war. Mehr als einmal suchte Mono Rat bei seinen Freunden. Mauricio schlug sofort eine Trennung vor. Fernando zögerte anfangs. Der Gedanke, dass die Kleine praktisch ohne Vater aufwachsen würde, tat ihm in der Seele weh. Ruso hingegen riet ihm, es weiter zu versuchen, miteinander zu reden, sich Zeit zu lassen. Sie würden schon einen Weg finden. Mono hörte auf ihn, bis er irgendwann nicht mehr konnte. Eines Abends – nicht direkt nach einem heftigen Streit, sondern in dem eisigen, sich tagelang hinziehenden Schweigen danach – bat er Fernando, ihn abzuholen. Er warf seine Sachen in Fernandos Kofferraum, und das war’s.
    45
    Während die endgültige Fassung ausgedruckt wird, knüllt Mauricio die Entwürfe zusammen. Er will sie schon wegwerfen, besinnt sich dann aber anders: formt vier Kugeln und legt sie nebeneinander auf den Schreibtisch, um sie

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