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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Sacheri
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widersprach, hatte er auf seinem Handy alle Nachrichten seiner Sekretärin gespeichert, die sich von einer Gelegenheitsgeliebten zu einer Dauergeliebten entwickelte. Anfangs hatte sie seinem Schürzenjägerstolz geschmeichelt. Dann aber war sie zu einer Gewohnheit geworden. Also hatte er beschlossen, dieses »Mit dem Mädchen muss ich unbedingt mal ins Bett«-Kapitel so schmerzfrei wie möglich zu beenden. Leider spielte ihm dabei seine Anwaltsdenke einen Streich. Er hatte nämlich die Befürchtung (Mauricio hat immer eine Befürchtung, die sich dann meistens bewahrheitet), dass Soledad weniger geneigt sein könnte, diese Beziehung zu beenden, als er es sich wünschen würde. Und wenn Soledad bockte, könnte sich das Ganze zum Skandal ausweiten. Zu Ende gedacht, könnte es durchaus passieren, dass sie ihn wegen sexueller Belästigung anzeigte. Immerhin war er ihr Chef. In diesem Moment hatte er die fatale Idee, alle Nachrichten zu speichern, um gegebenenfalls beweisen zu können, dass niemand das junge Ding gezwungen hatte, mit ihm ins Bett zu gehen.
    Mauricio sprach mit ihr. Es floss die eine oder andere Träne, es fiel der eine oder andere Vorwurf. Sie versuchte noch, an den Stellschrauben zu drehen, schlug vor, sich etwas weniger häufig zu treffen. Dann brach es ein wenig aus ihr heraus, sie bereue, sich jemals auf ihn eingelassen zu haben. Aber alles in allem verlief die Sache glimpflich. Sie trennten sich gütlich, der Skandal blieb aus. Aber weil man bei Frauen nie wissen kann, bewahrte er die Nachrichten auf.
    Kurz darauf hält der Fall Naviera Las Tunas ihn auf Trab und sein Leben wird zu einer Abfolge von Anhörungen, Meetings, Mittagessen, Abendessen und Überstunden bis in die Puppen. Soledad ist längst Vergangenheit, aber das Schicksal will es, dass Mariel – die viel Zeit hat, sich mit allem möglichen Blödsinn zu beschäftigen – auf den Gedanken kommt, er könnte ein Verhältnis haben. Und als er mal nicht aufpasst, durchsucht sie sein Handy und findet siebenundvierzig Kurznachrichten von Soledad, die wenig Zweifel daran lassen, dass die Beziehung zwischen Anwalt und Sekretärin einen ziemlich persönlichen Charakter angenommen hat.
    Das Unheil nimmt seinen Lauf. Als Mauricio aus der Dusche kommt, steht Mariel vor ihm, das Corpus Delicti in der Hand. Eines Delikts, das genau genommen kein Delikt mehr ist (denkt zumindest Mauricio, während Mariel ihn mit verzerrtem Gesicht anbrüllt), denn schließlich hat Mauricio die Sache längst freiwillig beendet. Strafrechtlich betrachtet, hat sich alles in Wohlgefallen aufgelöst, gibt es kein Delikt. Leider zeigt sich Mariel dieser Argumentation nicht zugänglich, im Gegenteil: Sie knallt Mauricio eine. Nicht sehr stark, es überrascht ihn mehr, als dass es wehtut. Anschließend rennt sie, Zeter und Mordio schreiend, durchs ganze Haus. Er bittet sie, vernünftig zu sein, aber damit macht er alles nur noch schlimmer, danach geht das Geschrei erst richtig los.
    In dieser Nacht und auch in den folgenden zehn Nächten schläft Mauricio im Gästezimmer, das eigentlich für ihr erstes – noch nicht gezeugtes – Kind gedacht ist. Aber das ist ein anderes Problem. Und dann auch wieder nicht, denn Mariel kündigt an, die Fruchtbarkeitsbehandlung abzubrechen. Seit sechs Monaten lässt sie den ganzen Scheiß über sich ergehen, die Untersuchungen, die Spritzen, die Schikanen, nur um ihm ein Kind zu schenken, und er hat nichts Besseres zu tun, als mit dem erstbesten Flittchen ins Bett zu steigen. Mauricio beschließt, den Mund zu halten, bis die erste Wut verraucht ist. Zwei Tage vergehen, in denen sie ihn anschweigt, dann weitere drei Tage, in denen sie ihn keines Blickes würdigt. Das einzig Gute ist, dass sie keine Anstalten macht, ihre Koffer zu packen. Mauricio nutzt die Zeit, um sich zu fragen, was er will, was er mit dieser Ehe will. In den ersten drei Tagen versucht er zu klären, was er für sie empfindet, ob er sie mag oder nicht, ob er sie liebt oder nicht, aber diese Fragen sind ihm eher unangenehm, denn im Grunde tun sie nichts zur Sache. Wichtig sind nur die Fakten, was man tut, nicht, was man fühlt. Und wenn es etwas gibt, von dem Mauricio überzeugt ist – und in diesen Tagen, in denen er im Gästezimmer schläft und allein in der Küche isst, findet er es bis zum Überdruss bestätigt –, dann davon, dass er sich nicht scheiden lassen will. Er wird mit Mariel verheiratet bleiben, koste es, was es wolle, denn ihm gefällt das Leben, das er führt,

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