Vier Mäuse und ein Todesfall
Wagen schwankte, hielt aber stand. Die Verfolger entfernten sich um einen Fußbreit, kamen dann wieder an sie heran und stießen kräftig gegen den WRX STI . Harry trat das Bremspedal bis zum Anschlag durch. Das Quietschen der Reifen musste bis nach Richmond zu hören gewesen sein. Die Taschenrakete kam so plötzlich zum Stehen, dass der Porsche und der Camaro ineinanderkrachten. Der große Chevy schob den Porsche mit solcher Geschwindigkeit von der Straße, dass dieser sich in einen Acker bohrte. Er kippte aber nicht um. Der Camaro, dessen rechter Kotflügel sich verbogen und ins rechte Rad gebohrt hatte, gab ein Kreischen von sich, als der Reifen platzte. Der Wagen drehte sich, verhielt wie ein verwundetes Tier. Latigo beugte sich mit einer Pistole aus dem offenen Wagenfenster und gab einen Schuss auf Harry ab. Er verfehlte sie, die Kugel pfiff über die Kühlerhaube des Subaru.
Harry gab Gas und raste Richtung Waynesboro. Schließlich verlangsamte sie, griff sich ihr Telefon und wählte 911 . Sie gab die Lage der zwei Wracks durch, dann fuhr sie auf den Parkplatz der Rite-Aid-Apotheke, um zur Ruhe zu kommen.
»Das war knapp.« Sie nahm Mrs. Murphy auf den Schoß und drehte sich um, um Tucker zu streicheln.
»Ich hätte tot sein können« , jammerte Pewter.
»Pewter, komm rauf zu mir. Komm schon.«
Mit zitternden Beinen und hängendem Bauch sank die graue Katze auf Harrys Schoß. Sie hatte sich nassgepinkelt, aber weder Harry noch die anderen sagten ein Wort. Es wäre ihnen um ein Haar selbst passiert. Dann rief Harry Cooper an.
»Coop, ich bin in Augusta County – Waynesboro, stehe vor Rite Aid. Victor Gatzembizi und Latigo Bly wollten mich umbringen. Ich bin außer Gefahr, glaube ich. Kommst du mich holen?«
»Bin gleich da.« Harry hörte Coop die Sirene einschalten und losbrausen.
Als Cooper bei Harry ankam, waren die Tiere gesäubert. Harry war zur Apotheke gegangen, hatte Wasserflaschen und eine kleine Plastikschüssel und Papiertücher zum Saubermachen gekauft. Belinda – Mopsbesitzerin und Tierliebhaberin – hinter der Theke tat so, als hätte sie den Katzenpissegeruch an Harry nicht bemerkt.
Erst als Harry Coop sah, wäre sie vor lauter Erleichterung fast in Tränen ausgebrochen. Coop stürmte aus dem Streifenwagen, sah die Schrammen an der rechten Seite des Subaru, die dünne Kugelspur auf der Kühlerhaube.
»Himmelherrgott, Harry, was ist passiert?«
Harry erklärte es, so gut sie konnte, von Anfang an. »Woher wussten die, dass ich dort war?«
»Ganz einfach, Nachbarin. Jemand hat einen Peilsender an deinem Auto angebracht. So einen, wie ihn Jagdhunde am Halsband haben. Sie haben gewusst, wo du warst, seit Victor Gatzembizi dir den Wagen gebracht hat.« Cooper beugte sich in den Streifenwagen und rief im Sheriffrevier von Augusta an.
Sie erklärte, wer sie war, nannte den Unfallort, fragte, ob jemand dort sei. Falls ja, waren die Fahrer unversehrt? Konnten sie ihr die Namen nennen?
Sie schaltete das Handy aus. »Victor Gatzembizi und Latigo Bly.«
»Ich war so blöd. So unglaublich blöd!« Harry lehnte sich an das Auto und legte den Kopf in die Hände. »Wieso hab ich das nicht erkannt?«
»Hinterher ist man immer klüger.« Coop legte den Arm um ihre Freundin. »Die gute Nachricht ist, du bist am Leben. Mrs. Murphy, Pewter und Tucker sind am Leben.« Sie warf einen Blick auf das Auto. »Ich denke, du kannst mit diesem Wagen nach Hause fahren.«
»Er hat mir das Leben gerettet.«
»Er und die Tatsache, dass du Autofahren kannst.« Cooper behielt den Arm um Harrys Schulter und drückte sie an sich. »Das hätte ich gern gesehen. Wir kriegen das alles geregelt. Die zwei landen im Knast. Rick und ich statten ihnen später einen Besuch ab. Komm, Mädel. Ich fahr hinter dir her nach Hause.«
»Kann ich bei dir mitfahren?« , miaute Pewter laut.
»Pewts, Mom braucht dich. Das Schlimmste ist vorbei«, versicherte Tucker.
»Warum muss alles immer mir passieren?« , jammerte die graue Katze.
35
D ie Strahlen der goldenen Abendsonne fielen schräg auf Berghänge und steile Schluchten, auf die östlichen Wiesen und Weiden entlang der Blue Ridge Mountains.
»Warum ist das Licht vor Sonnenuntergang so viel satter als zu jeder anderen Tageszeit?«, fragte Harry sich laut.
Ihre Freunde hatten sich an diesem Samstag vor dem 4. Juli auf der Farm eingefunden, um Harrys Rettung zu feiern, über die Ergreifung der zwei Übeltäter und über einander zu reden.
Wie neunzig Prozent der
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