Vier Morde und ein Hochzeitsfest
hier los?«
»Gehen Sie zurück in Ihre Wohnung und verschließen Sie die Tür«, sagte ich. »Hier gibt’s Stunk.«
Die Tür wurde zugeknallt und im Schloss machte es zweimal Klick.
Der Mann mit dem Regenmantel fing an, in der Wohnung herumzulaufen. »Scheiße«, sagte er. »Scheiße. Scheiße.« Wieder erschien eine Frau auf dem Gang. Sie war zierlich gebaut und ging gebückt. Sie musste weit über hundert Jahre alt sein. Das kurze weiße Haar stand büschelweise ab. Sie trug ein abgewetztes rosa Baumwollnachthemd und an den Füßen große wuschelige Pantoffeln. »Ich kann bei diesem Getöse nicht schlafen«, sagte sie. »Ich wohne seit vierunddreißig Jahren in diesem Haus, aber so einen Lärm habe ich noch nicht erlebt. Früher war das mal ein schönes Viertel.«
Der Mann mit dem Regenmantel schnellte herum, zielte mit der Waffe auf die Frau und drückte ab. Die Kugel traf in die Wand hinter ihr.
»Leck mich«, sagte die alte Dame und zog eine nickelverzierte 9-Millimeter-Pistole zwischen den Falten ihres Nachthemds hervor und hielt sie mit beiden Händen fest.
»Nein!«, schrie ich. »Nicht schießen! Er hat Spreng-« Zu spät. Die alte Dame durchsiebte den Kerl, meine Stimme verlor sich in der Detonation.
Ich wachte, fest angeschnallt auf einer Bahre, wieder auf. Ich befand mich in der Eingangshalle, und die Eingangshalle war voller Menschen, die meisten von ihnen Polizisten. Das verschwommene Gesicht vor mir nahm Konturen an, es war Morelli. Er bewegte die Lippen, aber er sagte nichts. »Was ist?«, schrie ich ihn an. »Sprich lauter.« Er schüttelte den Kopf, winkte mit der Hand, und ich las ihm den Satz von den Lippen ab. »Bringen Sie sie weg.« Ein Sanitäter schob die Bahre aus der Eingangshalle nach draußen in die kalte Nachtluft. Die Bahre rollte klappernd über den Gehsteig, und dann spürte ich, wie ich hochgehoben wurde und das Blaulicht vor dem dunklen Himmel mich blendete.
»He, Moment mal«, sagte ich. »Mir geht es gut. Lassen Sie mich. Machen Sie die Riemen los.«
Es war schon später Vormittag, als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ich war gerade dabei mich anzuziehen und lief unruhig auf und ab, da kam Morelli mit meinem Entlassungsschein ins Zimmer.
»Du darfst nach Hause«, sagte er. »Wenn es nach mir ginge, würde ich dich einen Stock höher in die Psychiatrie verlegen.« Ich streckte ihm die Zunge heraus, weil ich mir überaus erwachsen vorkam. Ich schnappte mir meine Umhängetasche, und wir flohen aus dem Zimmer, bevor die Krankenschwester mit dem unvermeidlichen Rollstuhl hereinkam.
»Ich habe einen Haufen Fragen«, sagte ich zu Morelli. Er geleitete mich zum Aufzug. »Ich hätte da auch ein paar. Zum Beispiel, was eigentlich genau passiert ist.«
»Ich zuerst. Ich will wissen, was mit Tank ist. Mir sagt ja keiner was. Ist er… na, du weißt schon.«
»Tot? Nein. Leider nicht. Er trug eine kugelsichere Weste. Der Aufprall der Kugel hat ihn umgehauen und bewusstlos gemacht. Er ist mit dem Kopf aufgeschlagen und war eine Zeit lang weggetreten, aber jetzt geht es ihm wieder gut. Wo hast du eigentlich gesteckt, als auf ihn geschossen wurde?«
»Ich lag, alle viere von mir gestreckt, auf dem Boden. Es war weit über meine übliche Zubettgehzeit.«
Morelli grinste. »Nur, damit ich dich richtig verstehe: Du bist deswegen nicht erschossen worden, weil du bei der Arbeit eingeschlafen bist?«
»So ungefähr. Meine Formulierung klang allerdings eleganter. Was ist mit dem Kerl passiert, der den Sprengstoff am Körper trug?«
»Bis jetzt hat man in der Umgebung des Hauses, das heißt, in dem, was davon übrig geblieben ist – übrigens nicht viel – einen Schuh und eine Gürtelschnalle gefunden, und ein paar Zähne in der Stark Street.«
Der Aufzug kam, und wir beide stiegen ein.
»Das mit den Zähnen ist doch nur ein Witz, oder?«
Morelli verzog das Gesicht zu einer Grimasse und drückte den Knopf.
»Sonst keiner verletzt?«
»Nein. Die alte Dame ist auf den Hintern gefallen, genau wie du. Kannst du ihre Geschichte, dass es Notwehr war, bestätigen?«
»Ja. Er hat einen Schuss auf sie abgegeben, bevor sie ihn in die Luft gejagt hat. Das Einschussloch müsste in der Wand sein… falls die Wand noch steht.«
Wir gingen durch das Foyer nach draußen zu Morellis Pick-up auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
»Was jetzt?«, fragte Morelli. »Zu dir? Zu deiner Mutter? Zu mir? Du kannst gerne bei mir bleiben, wenn du noch wacklig auf den Beinen
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