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Vier Morde und ein Hochzeitsfest

Vier Morde und ein Hochzeitsfest

Titel: Vier Morde und ein Hochzeitsfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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Menge, und für einen Augenblick herrschte absolute Stille, dann wurde die Unterhaltung wieder aufgenommen – zuerst leises Gemurmel, das schließlich zu einem regelrechten Orkan anschwoll.
    »Was bedeutet denn diese Stille auf einmal?«, fragte ich Joe.
    »Grandma Bella ist eingetroffen. Da hat sich im Raum das blanke Entsetzen breit gemacht.«
    Ich sah hinüber zum Eingang, und tatsächlich, da war sie, Joes Grandma Bella. Sie war eine kleine Person mit weißen Haaren und stechenden Falkenaugen. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und sah aus, als käme sie geradewegs aus Sizilien, wo sie Ziegen hütete und ihren Schwiegertöchtern das Leben zur Hölle machte. Manche Menschen glaubten, Bella verfügt über besondere Kräfte, andere hielten sie einfach nur für durchgeknallt.
    Aber selbst die Ungläubigen hüteten sich davor, ihren Zorn auf sich zu lenken.
    Bella überflog mit einem Blick den Raum und spähte mich aus. »Du«, sagte sie und zeigte mit ihrem knochigen Finger auf mich. »Komm her.«
    »Ach, du Scheiße!«, sagte ich zu Joe. »Was jetzt?«
    »Nur keine Angst zeigen, dann kann dir nichts passieren«, sagte Joe und geleitete mich durch die Menge, wobei er mir seine Hand in den Rücken legte.
    »An die kann ich mich erinnern«, sagte Bella zu Joe. Sie meinte mich. »Das ist die, mit der du zurzeit ins Bett gehst.«
    »Na ja, eigentlich…«, fing ich an.
    Joe streifte mit seinen Lippen flüchtig meinen Nacken. »Ich versuche es.«
    »Ich sehe schon die Kinder«, sagte Bella. »Du wirst mir noch mehr Urenkel schenken. Ich kenne mich damit aus. Ich habe das dritte Auge.« Sie tätschelte meinen Bauch. »Heute Abend bist du reif. Heute Abend wäre es gut.«
    Ich sah Joe an.
    »Keine Angst«, sagte er. »Ich habe das im Griff. Außerdem gibt es so etwas wie das dritte Auge nicht.«
    »Ha!«, sagte Bella. »Ich habe Ray Barkolowski mit meinem bösen Blick angeschaut, und alle seine Zähne sind ihm ausgefallen.«
    Joe sah grinsend auf seine Großmutter herab. »Ray Barkolowski hatte Wurzelhautentzündung.«
    Bella schüttelte den Kopf. »Diese jungen Leute«, stellte sie fest, »glauben heute an nichts mehr.« Sie nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. »Komm. Du musst die Familie kennen lernen.«
    Ich drehte mich um zu Joe und formte lautlos das Wort »Hilfe!«
    »Du bist alt genug«, sagte Joe. »Ich brauche was zu trinken.
    Ein großes Glas.«
    »Das ist Joes Vetter Louis«, sagte Grandma Bella. »Louis betrügt seine Frau.«
    Louis sah aus wie ein dreißigjähriger frisch aufgegangener Brotteig, weich und pummelig, der Appetithappen in sich hineinstopfte. Er stand neben einer kleinen dunklen Frau, und aus dem Blick, mit dem sie ihn anschaute, schloss ich, dass die bei den verheiratet waren.
    »Grandma Bella«, sagte er mit krächzender Stimme, die Backen rotfleckig, den Mund voller Krabben, »ich würde nie –«
    »Sei still«, sagte sie. »Ich kenne mich mit diesen Dingen aus.
    Mich kannst du nicht belügen. Sonst gucke ich dich mit meinem bösen Blick an.«
    Louis saugte einen Krabbenpanzer aus und griff sich an den Hals. Sein Gesicht lief erst rot an, dann violett, dann ruderte er mit den Armen.
    »Er erstickt!«, sagte ich.
    Grandma zeigte mit den Fingern auf ihre Augen und lachte wie die böse Hexe aus
Der Zauberer von Oz
.
    Ich schlug Louis mit der flachen Hand kräftig zwischen die Schulterblätter, und der Krabbenpanzer flog aus seinem Mund. Grandma Bella trat dicht vor Louis hin. »Wenn du sie noch einmal betrügst, töte ich dich«, sagte sie.
    Sie ging weiter zu einer Gruppe Frauen. »Eins musst du dir merken«, belehrte sie mich. »Den Männern in der Familie Morelli darf man nichts durchgehen lassen.«
    ]oe stupste mich von hinten an und drückte mir ein Glas in die Hand. »Wie läuft es?«
    »Ziemlich gut. Grandma Bella hat Louis mit ihrem bösen Blick angeschaut.« Ich trank einen Schluck. »Champagner?«
    »Sie hatten kein Zyanid mehr«, sagte er.
    Um acht Uhr räumten die Kellnerinnen die Teller ab, die Musikkapelle spielte, und die italienischen Damen waren auf der Tanzfläche und tanzten miteinander. Kinder liefen zwischen den Tischen umher, die Hochzeitsfeier war auf ihrem Höhepunkt, und die Männer der Morelli-Sippe standen draußen, rauchten Zigarren und gössen sich einen hinter die Binde. Joe Morelli hatte das Zigarrenritual verlassen, saß zusammengesunken auf einem Stuhl und musterte die Knöpfe an meinem Kleid. »Wir könnten uns jetzt absetzen«, sagte er. »Es würde

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