Vier Morde und ein Hochzeitsfest
Ich muss jetzt weg, und es kommt nicht in Frage, dass ich Sie hier allein in meiner Wohnung lasse.«
Er senkte den Kopf und drängte sich an mir vorbei. »Machen. Sie sich deswegen keine Sorgen. Ich werde mich schon nicht an Ihrem Silber vergreifen. Ich brauche nur einen Platz zum Arbeiten.« Er warf den Koffer mit einem Schwung auf die Unterseite, machte ihn auf, nahm einen Laptop heraus und stellte ihn auf meinen Sofatisch.
Scheiße.
Ich rief Vinnie zu Hause an. »Was hast du mit Briggs ausgemacht?«, fragte ich ihn.
»Er brauchte einen Unterschlupf, und ich habe mir gedacht, wenn er bei dir wohnt, hast du ihn im Auge.«
»Bist du verrückt?«
»Es ist doch nur für ein paar Tage, so lange, bis seine Wohnungstür wieder eingesetzt ist. Was mir übrigens, nur zu deiner Information, ziemliche Scherereien bereitet hat. Du hast die Tür schließlich demoliert.«
»Ich bin doch nicht der Babysitter von meinen NVGlern!«
»Der kleine Kerl ist völlig harmlos. Außerdem hat er mir mit einer Zivilklage gedroht. Wenn er damit durchkommt, sieht es für dich auch nicht gerade rosig aus. Du hast ihn nach Strich und Faden verprügelt.«
»Ich habe ihn nicht verprügelt!«
»Ich muss jetzt los. Muntere ihn ein bisschen auf, klar?«
Vinnie legte auf.
Briggs saß auf dem Sofa und schaltete seinen Computer ein. Irgendwie sah er mit seinen Stummelbeinchen ganz niedlich aus, wie eine große, griesgrämige Puppe mit einem zerknautschten Gesicht. Auf der Nase klebte ein Pflaster, und er hatte ein wunderschönes blaues Veilchen. Ich glaube nicht, dass er einen Prozess gewonnen hätte, aber ich wollte es auch nicht darauf ankommen lassen.
»Es kommt mir wirklich äußerst ungelegen«, sagte ich zu ihm. »Ich habe eine Verabredung.«
»Ja, ja. Scheint ja eine absolute Seltenheit in Ihrem Leben zu sein. Und ganz im Vertrauen, das Kleid ist der letzte Fetzen.«
»Mir gefällt es. Es ist romantisch.«
»Männer mögen keine Romantik, Schwesterchen. Männer mögen es sexy. Kurz und knapp. Damit man möglichst leicht die Hand drunterschieben kann. Ich sage Ihnen das nicht, weil ich so gestrickt bin … ich sage es Ihnen nur, weil ich mich mit Männern auskenne.«
Ich hörte, wie sich die Aufzugtüren im Flur öffneten. Morelli war da. Ich schnappte mir Pullover und Handtasche und lief zur Wohnungstür. »Nichts anrühren«, sagte ich. »Wenn ich zurück bin, werde ich die Wohnung inspizieren, und wehe, ich finde sie nicht in haargenau dem gleichen Zustand vor, in dem ich sie verlassen habe.«
»Ich gehe früh ins Bett, seien Sie also bitte leise, wenn Sie spät nach Hause kommen. Da Sie dieses Kleid tragen, muss ich mir ja wohl keine Sorgen machen, dass Sie die Nacht mit dem Kerl zusammen verbringen.«
Morelli kam mir im Flur entgegen. »Hmmm«, sagte er, als er mich sah. »Hübsch, aber nicht das, was ich erwartet hatte.«
Das konnte ich von ihm nicht behaupten. Er sah genauso aus, wie ich es erwartet hatte. Zum Vernaschen. Legerer, anthrazitfarbener Seidenanzug, hellblaues Hemd, geile Krawatte, schwarze italienische Halbschuhe.
»Was hast du denn erwartet?«, wollte ich von ihm wissen.
»Hohe Absätze, kürzeren Rock, mehr Ausschnitt.«
Briggs, dieser Mistkerl. »Ich hatte zuerst etwas anderes an«, gestand ich ihm, »aber dazu hätte ich meine kleine schwarze Perlenhandtasche mitnehmen müssen, und in die passen das Handy und der Pager nicht hinein.«
»Wir gehen auf eine Hochzeit«, sagte Morelli. »Wozu brauchst du da Handy und Pager?«
»Du hast deinen Pager am Gürtel stecken.«
»Ich bin gerade an einer Sache dran. Wir stehen kurz vor dem Abschluss, und ich will die Festnahme nicht verpassen. Ich arbeite mit ein paar Leuten von der Steuerfahndung zusammen. Gegen die wirke ich wie ein Pfadfinder.«
»Was Schmutziges?«
»Der reine Wahnsinn.«
»Ich hatte heute bei der Sache mit Onkel Fred einen Durchbruch. Ich habe mit einer Frau gesprochen, die gesehen hat, wie sich Fred mit einem Mann in einem Anzug unterhalten hat. Dann sind sie in den Wagen des Mannes gestiegen und weggefahren.«
»Du musst Arnie Mott anrufen und ihn einweihen«, sagte Morelli. »Man darf keine Informationen zurückhalten, die möglicherweise im Zusammenhang mit einer Entführung oder einem Mord stehen.«
Der kleine Platz vor der Holy Ascension Church war bereits voll. Morelli parkte den Wagen anderthalb Häuserblocks weiter und tat einen Stoßseufzer. »Ich weiß gar nicht mehr, warum ich mich hierauf eingelassen habe. Ich hätte
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