Vier Morde und ein Hochzeitsfest
»Stephanieiiih.«
Ich drehte mich rasch um und floh aus dem Zimmer in die Küche, wo ich hastig in meiner Tasche nach der Pistole tastete. Ich fand die Pistole und lief zurück ins Schlafzimmer, aber Ramirez war schon weg. Das Fenster war immer noch geschlossen und verriegelt, der Vorhang zur Hälfte zur Seite geschoben. Die Feuerleiter war leer. Ich konnte kein fremdes Auto erkennen. Einen Moment lang dachte ich, ich hätte das Ganze nur geträumt. Dann sah ich den Zettel, der außen ans Fenster geheftet war. Auf dem Zettel stand eine handgeschriebene Nachricht.
Gott wartet. Bald kommt die Zeit, da wirst du deinen Schöpfer sehen.
Ich lief wieder in die Küche und rief die Polizei an. Meine Hand zitterte, und meine Finger wollten nicht auf die richtigen Tasten drücken. Ich atmete einmal zur Beruhigung tief durch und versuchte es noch mal. Wieder tief durchgeatmet, und ich erzählte dem Beamten am anderen Ende von Ramirez. Ich legte auf und wählte Morellis Nummer. Ich hatte erst die Hälfte der Tasten gedrückt, als ich die Verbindung unterbrach. Was war, wenn Terry ranging? Blöder Gedanke, redete ich mir ein. Sie hatte ihn vor seinem Haus abgesetzt. Mach aus einer Mücke keinen Elefanten. Vielleicht gab es eine Erklärung. Und selbst wenn Joe nicht der beste Freund der Welt war, dann war er doch ein ziemlich guter Polizist.
Ich wählte noch mal und ließ es siebenmal klingeln. Schließlich schaltete sich Morellis Anrufbeantworter ein. Morelli war nicht zu Hause. Morelli arbeitete. Neunzig Prozent Gewissheit, zehn Prozent Zweifel. Es waren diese zehn Prozent, die mich daran hinderten, ihn über sein Handy oder seinen Pager anzurufen.
Plötzlich merkte ich, dass Briggs neben mir stand.
Der übliche Sarkasmus war aus seiner Stimme gewichen. »Ich glaube, ich habe noch nie jemanden so ängstlich gesehen«, meinte er. »Vergessen Sie alle Gemeinheiten, die ich Ihnen je an den Kopf geworfen habe.«
»Ein Mann war auf meiner Feuerleiter.«
»Ramirez.«
»Ja. Kennen Sie ihn?«
»Er ist Boxer.«
»Nicht nur. Er ist ein ganz furchtbarer Mensch.«
»Ich mache uns einen Tee«, sagte Briggs. »Sie sehen gar nicht gut aus.«
Ich holte mir mein Kissen und meine Bettdecke ins Wohnzimmer und setzte mich neben Briggs auf das Sofa. Alle Lichter in meiner Wohnung brannten, und meine Pistole lag in Reichweite auf dem Sofatisch. So blieb ich bis zum Tagesanbruch sitzen, nickte nur gelegentlich ein. Als die Sonne aufgegangen war, ging ich wieder ins Bett und schlief, bis mich um elf Uhr das Telefon weckte.
Es war Margaret Burger.
»Ich habe einen Scheck gefunden«, sagte sie. »Er war falsch abgeheftet. Er stammt aus der Zeit, als Sol seinen Streit mit der Kabelgesellschaft hatte. Mr. Bunchy interessierte sich für den Scheck, aber ich weiß nicht, wie ich an ihn herankommen soll.«
»Ich kann den Scheck für ihn abholen«, sagte ich zu ihr. »Ich habe ein paar Sachen zu erledigen, danach komme ich bei Ihnen vorbei.«
»Gut. Ich bin den ganzen Tag hier«, sagte Margaret.
Ich wusste nicht, was mir der Scheck Neues mitteilen sollte, aber ich dachte mir, es konnte nicht schaden, ihn sich mal anzusehen. Ich setzte frischen Kaffee auf und kippte ein Glas Orangensaft in mich hinein. Ich sprang rasch unter die Dusche, stieg in meine übliche Kluft aus Levi’s-Jeans und langärmligem TShirt, trank meinen Kaffee, aß meine Pop Tarts und rief Morelli an. Immer noch keine Antwort, aber diesmal hinterließ ich eine Nachricht. Die Nachricht besagte, dass Morelli umgehend Kontakt mit mir aufnehmen sollte, wenn Ramirez gefasst worden war.
Ich holte das Reizgas aus meiner Umhängetasche und klemmte es in den Hosenbund meiner Jeans.
Briggs war in der Küche. »Seien Sie vorsichtig«, ermahnte er mich beim Hinausgehen.
Mein Magen verkrampfte sich, als ich zum Aufzug kam, und er verkrampfte sich noch mal, als ich aus dem Hausflur nach draußen auf den Parkplatz trat. Ich überquerte schnell den Platz bis zu meinem Wagen, brachte den Porsche auf Touren und behielt beim Fahren den Rückspiegel im Auge.
Mir fiel auf, dass ich gar nicht mehr an jeder Ecke nach Fred Ausschau hielt. Die Suche nach meinem Onkel war irgendwie zu einer mysteriösen Geschichte um eine zerstückelte Frau, tote Büroangestellte und ein unkooperatives Müllabfuhrunternehmen mutiert. Ich redete mir ein, dass es sowieso alles das Gleiche war, dass alles irgendwie mit Freds Verschwinden zusammenhing. Völlig überzeugt war ich davon nicht. Es war immer noch
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