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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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angewurzelt stehen. Wenn der Mörser hier einschlägt, sind wir sowieso tot, schoss es mir durch den Kopf. Mörserfeuer bedeutete Untergang. Aber normalerweise knallte es nicht zuerst, sondern zuletzt, wenn mit Mörsern geschossen wurde.
    Sekundenlang passierte nichts. Kein Geräusch, keine Stimme.
    Unsere Blicke wanderten unsicher umher. Woher war der Knall gekommen? Für Sekunden wagte niemand, sich aufzurappeln.
    Das Funkgerät knackte und quakte die erlösende Meldung. Ein Fahrzeug der anderen Kompanie war an der Zufahrt zu Höhe 431 auf eine Bombe gefahren. Es gab keine Verletzten.
    Unter dem Strohdach rappelte sich langsam das Menschenknäuel wieder auf. Die Kampfmittelbeseitiger verließen rasch den Innenhof, um auch die restlichen Gehöfte zu durchsuchen. Muli schloss sich ihnen an.
    Hardy und Joe, ihr bleibt hier und behaltet alles im Auge.
    Einen Moment später waren wir mit dem Mann allein. Hardy setzte sich auf eine niedrige Mauer, öffnete den Helmriemen und trank einen Schluck Wasser.
    Alter, scheiße, hat das gerade geknallt, bemerkte er grinsend.
    Dann sah ich das bunte Tuch, das der Mann an die Wand gehängt hatte. Als die anderen überstürzt in Deckung gehechtet waren, musste es auf den Boden gefallen sein. Ich ging darauf zu und hob es vorsichtig auf. Es war rot und gelb und mit schönen Stickereien versehen. Der weiche Stoff verriet, wie kostbar es war. Im Augenwinkel erkannte ich, dass der Mann mich beobachtete. Ich ging auf ihn zu, lächelte freundlich.
    Wir sind nur hier, um etwas zu suchen, und gehen dann wieder, erklärte ich auf Dari. Er musterte mich.
    Deutsche? Er sagte nur dieses Wort auf Dari.
    Ja, sagte ich und nickte.
    Jetzt lächelte auch er.

EIN RIESENDING
    Die Kompanie hatte das Feldlager verlassen, ich war allein zurückgeblieben. Keine Raumverantwortung. Der Chef hatte uns allen ein Geschenk gemacht, das für mich kein Geschenk war.
    Ein paar Tage Urlaub hatte es höchstens am Anfang der Afghanistan-Einsätze gegeben. Die Soldaten waren für zwei oder drei Tage ins usbekische Termez geflogen, um einfach mal ohne Schutzweste herumlaufen zu können. Manche hatten dort auch einen Puff besucht. Aber diese Kurzurlaube wurden schon lange nicht mehr durchgeführt.
    Der Chef hatte durchgesetzt, dass alle für zwei Tage nach Mazar-e-Sharif ins deutsche Hauptquartier durften. Also flog die gesamte Kompanie mit einer Transall dorthin. Von den Betreuungseinrichtungen im Hauptquartier hatten wir schon viel gehört. Kleine Geschäfte, verschiedene Bars und jeden Abend irgendwo eine Party. Das erschien uns wie eine andere Welt, noch viel mehr als das Feldlager in Kundus, wenn wir von einer Raumverantwortung zurückkehrten.
    Für mich hätte dieser Ausflug keine Erholung bedeutet. Ich sprach mit Muli und durfte dann in Kundus bleiben, um meinen Arm zu schonen, der noch nicht ganz wiederhergestellt war. Ein Kamerad lag mit Grippe im Bett, er blieb ebenfalls. In den zwei Tagen begegneten wir uns nicht. Genau die Art von Erholung, die ich brauchte. Ruhe, Abgeschiedenheit, in der Intimität meines Containers allein sein. Ich genoss diese Rückzugsmöglichkeit, ging nur zum Essen hinaus, entspannte in der Einsamkeit.
    Dann kamen die anderen zurück. Laut und lärmend, mit Geschichten über Alkohol und Party, selbstbedruckten Shirts und anderen Souvenirs.
    Alter, war ich besoffen, berichtete Jonny nicht ohne Stolz in der Stimme.
    Hast du überhaupt noch mitbekommen, dass wir über den Sicherheitszaun geklettert sind, hinter dem diese geheime Anlage lag?, wollte Nossi lachend wissen.
    Ich kann mich nur verschwommen erinnern, meinte Jonny und gähnte.
    Offenbar hatten sie ihren Spaß gehabt. Es war ihre Art, sich abzulenken. Ich fühlte mich auf einmal seltsam fremd zwischen ihnen, überlegte, warum ich mich so zurückzog. Und ob das Auswirkungen auf das Team hatte.
    Kaum war die Kompanie wieder versammelt, ließ uns der Chef antreten, sprach über den Einsatz und die letzten beiden Tage.
    Zunächst einmal freut es mich, dass wir alle heil aus Mazar-e-Sharif zurück sind, verkündete er.
    Alle grinsten.
    Ich weiß nicht, was jeder Einzelne von Ihnen angestellt hat, aber ich bin froh, dass Sie Ihre Taten so gut verschleiert haben, dass ich mich nicht wie vor kurzem bei allen drei Kommandeuren des Feldlagers melden musste. Aber wir haben hart gekämpft und ich verantworte mich gern für Sie …
    Wieder grinsten alle, einige kicherten laut.
    Und ich weiß ja, dass Sie alle Verbrecher sind.
    Jetzt lachten

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