Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
besondere Überraschung. Der kleine Rico führte mich zu einem der Männer, mit denen ich vor ein paar Wochen gemeinsam Musik gemacht hatte.
For our friendship, sagte dieser feierlich und übergab mir eine nagelneue Gitarre.
Er hatte sie extra in den USA für mich bestellt. Voller Dankbarkeit für diese Geste verstaute ich das schöne Instrument vorsichtig auf unserem Fahrzeug. Es fühlte sich gut an, mit so großartigen Menschen zusammenzuarbeiten.
Der erste Abend im Feldlager verlief turbulent. Die Gefechte der vergangenen Tage wurden lautstark weggefeiert, die Musik bis zum Anschlag aufgedreht. Fast die gesamte Kompanie war in Hochstimmung, jaulte und grölte. Schon nach kurzer Zeit taumelten die Ersten durch die Gänge. Laut Vorschrift durften pro Tag und nur nach Dienst zwei Dosen Bier getrunken werden. Aber schon seit einiger Zeit wurde diese Zwei-Dosen-Regelung in unserer Kompanie nicht mehr allzu ernst genommen. Es gab keine Trinkexzesse, obwohl der eine oder andere per Post von zu Hause mit hartem Alkohol versorgt wurde. Aber einige tranken trotzdem mehr, als ihnen guttat.
Bisher hatte der Chef uns gewähren lassen. Wahrscheinlich war er der Meinung, dass er uns Freiraum geben konnte, wenn wir im entscheidenden Moment präsent und konzentriert waren. Und in den letzten Wochen hatte die Kompanie viele entscheidende Momente erlebt. Brandys Gruppe war besonders wild am Feiern. Ich hatte volles Verständnis dafür, zog mich aber früh in meinen Container zurück. Ich war noch nie ein großer Alkoholtrinker gewesen, wurde deswegen von meinen Kameraden auch ab und zu schief angeschaut. Es war mir egal. Solange sie mich in Ruhe ließen, konnte ich damit gut umgehen.
Die Stille des Containers war wie eine Erlösung für mich. Mein dicker Ellenbogen schwoll inzwischen wieder ab und ich freute mich auf meine erste ruhige Nacht seit vielen Tagen. Purzel legte sich ebenfalls früh hin, und so schalteten wir bald das Licht aus.
Mitten in der Nacht flog die Tür auf. Mit einem gewaltigen Knall schlug sie gegen die Waffen, die dort an der Wand hingen.
Ich saß kerzengerade im Bett. Mein Herz schlug bis zum Hals und meine Augen waren weit aufgerissen. Ich hatte mich wahnsinnig erschreckt. Eine Reihe Gestalten rannte grölend in unseren Container. Nach wenigen Sekunden machten sie kehrt und alles war wieder vorbei. Für mich war es das allerdings nicht.
Ich hatte mich so sehr erschreckt, dass ich über eine Stunde hellwach im Bett lag. Sosehr ich mich auch bemühte, ich konnte die Augen nicht schließen. Ich versuchte es mit Musik, dann mit Lesen. Schließlich lag ich nur noch da und starrte an die Decke. Obwohl ich todmüde war, verging eine Ewigkeit, bis ich mich einigermaßen beruhigt hatte.
Als ich am frühen Morgen aufwachte, war ich immer noch stinksauer. Schlaftrunken dachte ich an die Nacht und versuchte mich an Einzelheiten zu erinnern. Einen der Eindringlinge hatte ich erkannt. Ich saß auf meinem Bett und dachte nach. Dann stand ich auf und ging auf den Flur. Unterwegs fand ich einen der Putzeimer, die wir für die Reinigung der Container benutzten. Ich ging in den Waschraum und schaltete das Wasser ein.
Als ich kurze Zeit später den Griff herunterdrückte, hoffte ich, dass die Containertür unverschlossen war. Ich betrat den halbdunklen Raum und schlich mich auf Zehenspitzen hinein. Das richtige Bett hatte ich schnell gefunden. Er rührte sich nicht, war aber sowieso als Langschläfer bekannt. Dann fackelte ich nicht lange. Ergriff den Eimer mit beiden Händen und schwang ihn herum. Mit einem großen Platsch landete das Wasser auf meinem Kameraden. Ich wartete nicht ab, bis er sich aufgerappelt hatte, sondern verließ den Raum.
Das Nachspiel dauerte um einiges länger. Er brauchte ein paar Stunden, um herauszubekommen, wer ihm diesen Streich gespielt hatte, und noch etwas länger, um das Bett wieder trocken zu bekommen. Schließlich stieß er so lange wüste Drohungen aus, sprach von Vergeltung und Abreibung, bis unser Zugführer von der Sache erfuhr. Nacheinander wurden wir in seinen Container gerufen.
Mü sah aus, als hätte er nicht die geringste Lust, sich mit so einer Sache zu beschäftigen, und schien seit einiger Zeit nicht gut geschlafen zu haben.
Seine Befragung war kurz. Ich machte mir nicht die Mühe, zu leugnen. Aber ich erklärte auch, warum ich das getan hatte:
Herr Oberleutnant, wir stehen fast jede Woche im Gefecht. Wir werden angesprengt, müssen draußen in diesem schimmeligen
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