Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
Selbstmordattentäter? Sprengsätze an den kleinen Wegen und Pfaden, die wir benutzen mussten? Ich fürchtete mich vor der Antwort.
Immer noch lag ich hinter dem Wall, der mich von den anderen trennte, als Muli zu mir gekrochen kam.
Wir werden hier hinten unsere Ausrüstung lagern. Auf der anderen Seite sind die Stellungen. Du gehst zu dem großen ausgehobenen Loch und tarnst dich. Dann versuchst du, einzelne Ziele aufzuklären und zu bekämpfen.
Das Loch sah irgendwie einladend aus. Es lag tief, war dicht bewachsen und bot Schutz. Ich suchte mir die Ecke, die den anderen am nächsten war, und legte mich auf die Böschung. Mit dem neuen Zielfernrohr konnte ich die Umgebung wunderbar beobachten. Uns gegenüber war eine Baumreihe. Vermutlich verlief dort ein Graben. Rechts standen große Säcke, die mit der Ernte gefüllt zu sein schienen, und auf der linken Seite des Feldes lagen hinter einer weiteren Schonung die ersten Gebäude des nächsten Dorfes. Hier würden wir kämpfen müssen. Das Areal war etwa so groß wie ein Fußballfeld. Gelb und braun und trostlos. In ein paar hundert Meter Entfernung begann die Westplatte. Oben konnte ich die Fahrzeuge unserer Schwesterkompanie erkennen.
Hoffentlich schießen die nicht versehentlich auf uns, kam mir in den Sinn. Und hoffentlich haben die afghanischen Soldaten das Dorf im Griff. Wir hatten die Gebäude bei unserem Durchmarsch nicht durchsuchen können.
Ich lag auf der Böschung und beobachtete. Ich hatte gerade noch ausreichend Schatten, um nicht in der prallen Sonne liegen zu müssen. Muli, Mica, Hardy, Simbo und TJ erging es da schlechter. Ich hörte sie über mir reden. Plötzlich fing der Beschuss wieder an. Aber diesmal auf unsere Stellung! Ich kroch ein wenig zurück. Die Aufständischen mussten in dem Graben liegen, der zweihundert Meter gegenüberlag. Hier unten fühlte ich mich geschützter. Es flößte mir Mut ein, allein und versteckt zu sein, nicht bei den anderen da oben liegen zu müssen. Als ich merkte, dass sie wohl auf Muli und den Rest schossen, schob ich mich vorsichtig nach vorne. Durch das Zielfernrohr erkannte ich einen Schatten. War es ein Kopf? Da, er bewegte sich. Ich atmete langsam ein und aus. Mein Herzschlag beruhigte sich. Ich zielte sorgfältig und suchte mit dem Finger den Abzug. Der Schatten befand sich genau in meinem Fadenkreuz.
Hoffentlich ist das Gewehr gut eingeschossen, flog es mir durch den Kopf.
Ich würde es gleich wissen. Mit den Füßen stemmte ich mich in den lockeren Boden, presste die Waffe in die Schulter und verfolgte die Bewegungen des Schattens. Er schien es nicht eilig zu haben, war sich wohl sicher, unentdeckt zu sein. Ich spannte meinen Körper an, brachte den Atem noch mehr zur Ruhe.
Und drückte ab.
Im gleichen Augenblick tauchte der Schatten im Graben unter.
Verdammt, fluchte ich innerlich. Ich war mir sicher, ihn nicht erwischt zu haben. Und ärgerte mich darüber.
Zum Nachdenken bekam ich keine Gelegenheit. Sie schossen wieder herüber. Aber diesmal erbitterter. Es hörte gar nicht auf. Plötzlich ratterte Simbos Maschinengewehr. Er antwortete, bis sich das Hin und Zurück zu einer bedrohlichen Symphonie verband, die alles andere übertönte. Da zischte es über meinem Kopf. Verwundert riss ich die Augen auf und sah, wie ein paar Äste abknickten. Löcher waren in die Blätter gerissen worden. In Panik rutschte ich die Böschung herunter und kauerte mich auf dem Boden des Erdlochs zusammen.
Scheiße, dachte ich. Scheiße!, brüllte ich. Scheiße, scheiße, scheiße!
War ich erkannt worden? Hatte mich mein Schuss verraten? Oder waren es Querschläger, die eigentlich Simbo galten? Ich machte mich so klein wie möglich. Mein Herz schlug wie wild, schien meinen Brustkorb sprengen zu wollen. Mein Mund war trocken, die Zunge klebrig. Erst als der Beschuss nach ein paar Minuten aufgehört hatte, reckte ich den Kopf wieder über den Rand des Loches. Es war still. Und im gleichen Augenblick flog meine Angst von mir, als wäre sie niemals da gewesen. Ich war völlig ruhig, fast vollständig entspannt. Aber ich wusste, dass es beim nächsten Schuss wieder losgehen würde. Ein Scheißgefühl.
Es war inzwischen später Nachmittag, als sich nach langem Herumsitzen zwei unserer Scharfschützen näherten.
Wir sollen die Stellung hier übernehmen, hat Muli gesagt. Du sollst nach oben zu den anderen.
Einerseits war ich irgendwie froh, nicht mehr alleine zu sein, andererseits wollte ich die Geborgenheit meiner
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