Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
gelauert hatte. Die Entfernung betrug vielleicht einige hundert Meter, und wir sprangen hinter den Damm in Deckung und schossen zurück. Zwischen ihren Stellungen und unseren lag die große Verbindungsstraße, auf der sich laut Plan die amerikanischen Kampfmittelbeseitiger vorarbeiten sollten. Aber so weit war es noch nicht.
Siehst du den Typen an der Hausecke?, brüllte Mica mich an.
Nein, aber ich versuche ihn aufzuklären!
Die Waffen spien wieder ihre tödliche Fracht aus, und über uns prasselten Geschosse in die Äste. Nach kurzer Zeit waren die Blätter voller Löcher und viele kleine Äste abgesplittert.
Die wollen es wohl wissen!, rief Muli, der ein paar Meter weiter lag und Befehle gab.
Wegen der zahlreichen Büsche konnte ich nur wenige Meter nach links und rechts sehen. Aber überall wurde geschossen. Ein Maschinengewehr ratterte. Sofort wurde die Salve von den Gebäuden gegenüber beantwortet. Das dumpfe Donnern der Gewehrgranaten, das Tackern der Kalaschnikows und das Brüllen von Befehlen verwandelten die ruhige Ortschaft in ein Schlachtfeld. Eine Panzerabwehrrakete flog über uns hinweg und explodierte hinter uns zwischen den Bäumen.
Ich zog den Kopf ein, duckte mich, machte mich klein. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Da wurde es plötzlich ganz still. Nichts rührte sich mehr. Nach einer Weile wurden die Amerikaner in Marsch gesetzt. Die schweren Fahrzeuge rumpelten über die staubige Straße und hüllten ihre Umgebung in eine Sandwolke ein. Dahinter rasselten die Ketten unserer Schützenpanzer. Mit ihren Walzen und Sensoren suchten die Amerikaner die Straße nach Minen oder Sprengsätzen ab.
Waaam!
Mit einem alles durchdringenden Knall war eine Bombe explodiert. Ich starrte auf die vorderen Fahrzeuge. Aber da war nichts. Erst die langsam steigende Rauchsäule verriet den Anschlagsort.
Die ham einen Panzer erwischt!, brüllte TJ aufgeregt.
Und tatsächlich. Einer der Schützenpanzer stand, von uns aus kaum sichtbar, quer auf der Straße. Sie hatten uns getroffen. Obwohl die Kampfmittelbeseitiger vor dem Panzer die Straße abgesucht hatten. Wut stieg in mir auf. Wut, die mich motivierte. Ich lehnte mich weit über den Rand des Dammes und suchte fieberhaft nach Zielen. Aber niemand zeigte sich. Sie hatten den Kampf abgebrochen, um aus dem Hinterhalt die Bombe zu zünden.
Einfach ’ne scheiß Bombe draufschmeißen!, brüllte Mica ärgerlich.
Das machen sie nicht wegen der Gebäude, die ham Angst, da Zivilisten zu treffen. Wurde eben über Funk durchgegeben, kommentierte Muli enttäuscht.
Fuck, und wir müssen hier zusehen, wie wir klarkommen, schnaubte TJ.
Es stellte sich heraus, dass die Stahlplatten des Schützenpanzers intakt geblieben und die Insassen nur leicht verletzt waren. Aber der Panzer musste geborgen werden, er war nicht mehr einsatzbereit. Während die Stunden vergingen und die Gefechte immer wieder aufflammten, war ich einfach nur froh, in einem so tiefen Graben zu hocken. Ein Blätterdach schützte mich vor der Sonne. Als die Kämpfe auf dieser Seite des Dorfes endlich abflauten, konnten die Amerikaner die Straße bis zum vereinbarten Zielpunkt räumen. Nicht ohne zwei weitere Sprengsätze auszulösen. Ein weiterer Schützenpanzer wurde dabei beschädigt, der zu unserer Schwesterkompanie gehörte und den India Zug und die Amerikaner unterstützte.
Scheiße, die Schützenpanzer bekommen heute ordentlich was ab, presste Mica missmutig durch die Lippen.
Während über uns die Aufklärungsdrohne ihre Bahnen zog und das Geschehen beobachtete, näherten sich ein paar Einheimische unserer Position.
Haltet die sofort auf!, brüllte Muli energisch den anderen zu. Die dürfen hier nicht her!
Die Männer konnten erst mit vorgehaltener Waffe gestoppt werden. Der eilig herbeigerufene Sprachmittler erfuhr, dass sie ins nächste Dorf wollten.
So ein Blödsinn, schimpfte Nossi. Kein Afghane spaziert während so heftiger Kämpfe hier einfach rum. Die wollen unsere Stellung auskundschaften und herausbekommen, wo wir genau liegen!
Nachdem die Männer wieder im Dorf verschwunden waren, wies Muli unseren Zugführer darauf hin, dass unsere Rückseite völlig ungedeckt war. Niemand konnte sehen, was hinter der Schonung lauerte. Mü erwiderte Mulis Kommentar mit einem knappen Funkspruch, der zu verstehen gab, dass er die Situation nicht überblickt hatte. Als Muli mit Mica, TJ und Hardy in meinem Rücken zwischen den Bäumen verschwand, war ich froh, dass ich hierbleiben sollte, um die
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