Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
Bergen in der Ferne verschwunden war, lagen wir auf dem Rücken und knabberten Kekse. Die Hauptmahlzeit war vegetarisch. Wir reichten sie herum und schaufelten den Inhalt mit der einzigen Plastikgabel, die ich dabei hatte, abwechselnd aus der Verpackung. Das Essen war kalt und passte nicht zur bitteren Schokolade. Aber für den Augenblick waren wir halbwegs satt.
Ist doch ganz nett hier, witzelte Hardy und grinste.
Als Muli zurückkehrte, war es stockdunkel.
Wir müssen diese Stellung halten, berichtete er. Nossi sichert hinter uns in die andere Richtung, auf dieser Seite ist aber auch der Foxtrott Zug. Der Hotel Zug schützt weiter nördlich die Baustelle für den Vorposten. Und Brandy und Mü riegeln das Dorf in Richtung Süden ab.
Zum Schluss fertigten wir noch einen Wachplan an und machten uns für die Nacht bereit.
Geht sparsam mit den Batterien um, schärfte Muli uns ein.
Wir rollten uns irgendwie zwischen den Rucksäcken zusammen und lagen unter den wenigen Schlafsäcken, die wir dabei hatten, eng aneinander. Dieser endlos scheinende Tag, der lange vor dem Morgengrauen begonnen hatte, war schließlich zu Ende.
Irgendwann schreckte ich hoch. Ein lauter Knall hatte mich aus dem Schlaf gerissen. Was war geschehen? Niemand hatte uns alarmiert, keine Gewehrschüsse drangen durch die Dunkelheit, dafür wurde es plötzlich taghell. Eine leuchtende weiße Kugel schwebte über uns und hüllte die Umgebung in gleißendes Licht.
In Deckung, rief Muli, alle auf den Boden!
Die Panzerhaubitze im Feldlager schoss Leuchtgranaten über das Dorf, um den Gegner zu stören. Im Moment störte sie aber unseren Schlaf. Wir legten uns flach hin, damit wir nicht aufgeklärt werden konnten. Als die leuchtende Kugel auf dem Boden aufschlug, wurden wir wieder von der Dunkelheit verschluckt.
Mitten in der Nacht rüttelte Mica an meiner Schulter und erinnerte mich daran, dass ich gleich mit der Wache dran wäre. Mir war kalt und ich zitterte. Offenbar hatte langsam der Wetterumschwung eingesetzt. Während es tagsüber noch brütend warm war, kühlte sich die Luft in der Nacht schon spürbar ab. Ich hatte keine Lust, unter dem Schlafsack hervorzukriechen. Mica musste mich nochmals anstoßen. Ich schlüpfte in die Stiefel, die ich zum Trocknen neben meinen Rucksack gestellt hatte. Muli und ich bildeten ein Team für die Wache. Als wir schließlich bequem auf der Wallkrone saßen, betrachtete ich den dunklen Himmel.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ihm gestehen, wie sehr ich unter der Situation litt? Der ständige Beschuss, die andauernde Gefahr?
Das hier wird ganz schön heftig, sagte Muli, was in mir keine Beruhigung auslöste. Aber wir sind jetzt schon so weit gekommen, wir haben so ein phantastisches Team, fügte er hinzu. Wir werden auch das hier meistern.
Es war gut, Muli um mich zu haben. Er war für mich längst mehr als nur ein Kamerad. Und auch die anderen, so sehr sie mich auch nerven konnten, hatten in meinem Herzen einen Platz eingenommen, der mehr wog, als es eine Familie tun konnte. Wir waren eine Kampfgemeinschaft. Und wir standen Seite an Seite. Umso mehr machte es mir zu schaffen, was im Moment mit mir los war. Ich hatte große Angst, sie zu enttäuschen.
Der nächste Morgen brachte die Hoffnung mit sich, dass wir bald unsere Fahrzeuge und damit die Verpflegung ins Dorf bekämen. Aber wir hatten die letzte Müdigkeit noch nicht ganz aus den Gliedern geschüttelt, da hörten wir irgendwo bereits den ersten Schuss.
Was glaubt ihr, wann es bei uns losgeht?, rief Mica gelassen in die Runde.
Während ich mich noch fragte, woher er diese unglaubliche Ruhe nahm, beantwortete er die Frage selbst.
Gestern ham sie ungefähr um zehn angefangen, auf diese Stellung hier zu schießen. Vielleicht ist es heute wieder so.
Muli, der ein paar Meter weiter auf dem Boden hockte und eine Zahnbürste im Mund hatte, nuschelte: Wir können ja ’ne Wette draus machen. Ich tippe auf zehn Uhr dreißig.
Ich sag elf, warf Hardy eifrig dazwischen.
Dann nehm ich neun Uhr fünfundvierzig, meinte ich.
Gibst du mir mal dein Klopapier?, fragte Simbo und verschwand damit zwischen den Bäumen.
Wir aßen die letzten Kekse und saßen auf dem Boden, als wir weit entfernt Schüsse hörten.
Das sind wieder die Amis, rief Muli erfreut.
Aber das Glücksgefühl hielt nur kurz an.
Kontakt!, brüllte Simbo, der gerade zurückgekommen war, als sie anfingen, uns zu beschießen. Vielleicht waren wir zu unbekümmert gewesen und waren mit den
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