Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
kleinen Ecke nicht verlassen. Kriechend näherte ich mich dem Trupp von hinten. Nun lag auch ich in der Senke zwischen den beiden Wällen. Eigentlich war es eine nützliche Stellung, aber weil der Wall in unserem Rücken niedriger war, liefen wir Gefahr, getroffen zu werden, wenn auf Nossis Trupp geschossen wurde. Denn die lagen am anderen Rand der Schonung hinter uns und sicherten nach Osten ab. Dort, wo der Kampf am Vormittag angefangen hatte.
Okay, einer von uns hat sein Auge immer über dem Wall. Der Rest kann sich hier unten in der Senke ausruhen, befahl Muli.
Muli, der immer noch klatschnass von seinem unfreiwilligen Bad im Bach war, versuchte die ganze Zeit, seine Kleidung zu trocknen. Erst drehte er sich immer wieder, um sich auf allen Seiten von der Sonne bescheinen zu lassen. Aber er schwitzte zu stark, die Sachen wurden nicht trocken.
So ein Mist, schimpfte er gereizt.
Schließlich zog er Stiefel, Socken und Hose aus und legte sie hinter sich an den Wall. Nun lag er in einem merkwürdigen weißen Schlüpfer auf dem Boden und hatte oben herum seine Schutzweste an.
Alter, wie siehst du denn aus!, rief Mica prustend.
Und was ist das für ein Schlüpfer?, setzte Hardy nach.
Die gibt es im Fünferpack im Kaufhaus in Jena. Das sind original Ostschlüpfer, die sind super bequem, erklärte Muli voller Stolz.
Eine Sekunde lang schauten wir ihn verständnislos an. Dann brachen wir in ein lautstarkes Gelächter aus. Mit seiner Unterhose und der Kampfausrüstung sah er einfach zu komisch aus.
Wir wurden von Gewehrfeuer unterbrochen.
Abschnitt drei, brüllte Muli. Im Graben, Entfernung hundertachtzig!
Muli nahm seine Waffe in die Hand und zielte. Und so lag er mit seiner weißen Unterhose an der Böschung und schoss auf den Feind.
In unser Gewehrfeuer mischten sich Salven fremder Waffen. Erst nach einiger Zeit merkten wir, dass es von rechts kam.
Die Afghanen unterstützen uns!, brüllte Muli erleichtert.
Unsere Verbündeten von der afghanischen Armee mussten endlich am Dorfrand in Stellung gegangen sein. Sie lagen ein großes Stück rechts von uns, aber nahmen nun auch den Gegner auf der gegenüberliegenden Seite unter Beschuss. Wir waren hier nicht mehr völlig allein.
Mit dem anbrechenden Abend machte sich nun auch die Gewissheit breit, über Nacht bleiben zu müssen. Das Gelände im Norden, wo der Vorposten gebaut werden sollte, war vorbereitet, aber der Aufbau hatte noch nicht begonnen. Als die Sonne langsam auf den Horizont niedersank, war ich mir schon fast sicher, dass der Abend ruhig verlaufen würde.
Doch genau in diesem Moment begannen die Aufständischen wieder auf uns zu schießen. Das auffällige Tackern der Kalaschnikows flammte auf. Sofort zog ich den Kopf hinter den Wall zurück. Krampfhaft versuchte ich, Ruhe zu bewahren. Dabei hätte ich innerlich fast zerspringen können.
Wir teilen die Baumreihe in Abschnitte ein, brüllte Muli seine Anweisungen. Linker Abschnitt, Mitte und rechter Abschnitt! Sie schießen jetzt aus dem linken Abschnitt, Feuer frei!
Mica und TJ arbeiteten wild mit ihren Gewehren. Zielen und schießen, nachladen, wieder zielen. Simbo durfte nicht feuern, um Munition für das Maschinengewehr zu sparen.
So ein Dreck!, rief er genervt.
Langsam stellte sich die Dämmerung ein, und mit der nahenden Dunkelheit wurde es auch auf dem Schlachtfeld ruhig. Der Kampf hatte mit Unterbrechungen den ganzen Tag gedauert. Er kostete unendlich viel Kraft. So viel Energie, die der Körper mit Marschieren, Kämpfen und Denken verbrauchte. Je höher der Adrenalinspiegel stieg, umso schneller schien sich mein Magen zu leeren. Ich hatte Hunger. Die anderen ebenfalls. Aber als Muli den Zugführer anfunkte, wann denn die Fahrzeuge mit der Verpflegung ins Dorf gefahren würden, wiegelte Mü ab.
Wegen der Kämpfe unmöglich, berichtete er. Zu gefährlich, wir müssen erst die Lage morgen abwarten, Mü Ende.
Als wir am Vorabend die Rucksäcke packten, hatten wir mit heftigem Feindkontakt wie in Khalalzay gerechnet und fast nur Wasser und jede Menge Munition mitgenommen. Die Notrationen hatten in den schweren Rucksäcken keinen Platz mehr gehabt. Jetzt standen wir ohne Essen da. Während Muli in die Schonung kroch, um sich mit Nossi zu beraten, durchsuchte ich noch einmal gründlich meinen Rucksack. Ich probierte immer, irgendetwas in Reserve zu haben und fand eine Tafel Bitterschokolade und eine Packung Kekse, dazu noch eine Hauptmahlzeit.
Als die Sonne schließlich ganz hinter den
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