Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
ich hier. Und noch musste ich diese Zeit irgendwie hinter mich bringen.
Seit vorgestern Mittag hatten wir uns fast nur auf dem Boden kriechend fortbewegt, und langsam fing mein Rücken an zu schmerzen. Der Helm drückte und die Weste lastete schwer auf den Schultern. Meine Kleidung war vollkommen durchgeschwitzt. Der feine Staub verklumpte an den Knien und Ellenbogen, und mein Gesicht juckte. An ausreichend Schlaf war nicht zu denken gewesen. Hier unter freiem Himmel hielt uns nachts das Beleuchtungsfeuer der Artillerie wach. Und wenn ich endlich einschlief, wurde ich schon bald wieder geweckt, weil ich Wache halten musste. Noch immer waren unsere Fahrzeuge nicht zu uns vorgestoßen, und wir hatten nach wie vor zu wenig Schlafsäcke. Wie gern hätte ich mich während der Wache auf dem Wall in meinen eingewickelt. Aber ich überließ ihn Mica, bis ich mich selbst wieder hinlegen konnte.
Ein Blick in die Gesichter der anderen deutete mir am Morgen an, wie auch ich inzwischen aussehen musste. Nach drei Tagen im Staub, auf der Erde. Es war der dritte Tag in Quatliam. Und der zweite Tag im November.
Wir schlossen wieder Wetten ab, wann sie wohl angreifen würden. Bei dem Gedanken erschauderte ich bis ins Mark. Es war gestern so verdammt knapp gewesen. Wir waren am Sperrbestand, hatten fast die gesamte Munition verschossen. Wenn die Aufständischen wüssten, dass sie nur noch ein- oder zweimal angreifen müssten …
Der Angriff erfolgte um die gleiche Zeit wie gestern. Durch die Gewohnheit abgestumpft, machten Hardy und Simbo sich nicht einmal mehr die Mühe, die Stiefel zu schnüren. Die beiden lagen hinter dem Maschinengewehr und schienen richtig entspannt zu sein. Sie warteten auf Mulis Feuerbefehl. Mica lag ganz links und beobachtete wieder alles durch das Fernglas. Ich zog automatisch den Kopf ein und kauerte am Wall. Die Geschosse schlugen vor uns am Wall ein, und auch bei Brandys Gruppe war Gefechtslärm zu hören.
Wie leicht ist es, die Pflicht zu erfüllen, wenn es nichts kostet, dachte ich beschämt.
Dieser Einsatz hatte schon viel gekostet. Viel Kraft, viel Schweiß, aber auch viel Überwindung. Ich hatte die Entscheidung getroffen, ihn bis zu Ende zu gehen. Aber meine Entscheidung war nur etwas wert, wenn ich sie auch umsetzte. Ich griff langsam nach meiner Waffe, war immer noch zögerlich. Und hob doch langsam den Kopf. Der Beschuss war nicht mehr so stark. Als ich mein Gewehr in die Schulter presste und mit dem Zielfernrohr auf das Mündungsfeuer an der Baumreihe zielte, hatte ich immer noch große Angst. Aber zu dieser Angst gesellte sich die Abscheu dagegen, hilflos und untätig zu sein. Hatte ich das nicht schon in jener Nacht erlebt, als wir in den Hinterhalt geraten waren? Ich würde dieses Gefühl der Ohnmacht nur vermeiden können, wenn ich ihr aktiv entgegentrat. Und schließlich hatte ich genau das meinen Rekruten immer gesagt. Dass jeder in der Lage war, an Herausforderungen zu wachsen. Jetzt musste ich das umsetzen, was ich ihnen immer hatte beibringen wollen. Die größte Herausforderung meines Lebens. Als mein Zeigefinger das Metall des Abzugs berührte, schlug mein Herz schon ein wenig langsamer. Und als ich abdrückte, hörte ich nur ein lautes Klicken.
Störung an der Waffe!, brüllte ich zu Muli, rutschte wieder nach unten und prüfte mein Gewehr.
Als der Beschuss aufhörte, näherte sich der Chef von hinten. Er wollte sich wie jeden Tag ein Bild von unserer Lage machen. Er nahm dafür die gefährlichen Wege zwischen den weit auseinanderliegenden Stellungen der Züge auf sich, um zu sehen, wie es seinen Männern ging. Als Muli ihm die Situation schilderte und zeigte, wo sich der Feind versteckt hielt, knallte es gewaltig, direkt vor unserer Stellung. Der Boden zitterte, während wir verschreckt in Deckung gingen.
Alle waren in das Gespräch vertieft gewesen, niemand hatte auf den Abschuss geachtet, aber wäre die Panzerabwehrrakete nur zwei Meter höher geflogen, wäre sie genau in unserer Stellung explodiert. Wir wären mit einem Schlag alle tot gewesen. Jetzt zeugten nur ein Krater und eine dünne Rauchsäule davon, dass uns der Wall gerettet hatte.
Mittags aßen wir von den Notrationen, die wir gestern bekommen hatten. Kaltes Gemüsechili und Panzerkekse. Weil wir die einzige Plastikgabel nicht wiederfanden, aßen wir es mit den Fingern. Im Hintergrund ratterte und knallte es immer wieder. Die Baustelle wurde wieder mit Mörsern beschossen. Die Amerikaner in Isa Khel standen
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