Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
und CIMIC, für den Kontakt zur Bevölkerung.
Das Ungleichgewicht zwischen den sogenannten »Drinnies« und den draußen operierenden Kampftruppen hatten wir in der Gruppe schon oft besprochen und nicht verstanden, warum nicht eine zusätzliche Kampfkompanie zur Entlastung nach Kundus geschickt wurde. Nicht allein wegen der Kämpfe oder der Größe des Gebiets, sondern vor allem, um die Kameraden zu entlasten. Aber Muli hatte unseren Diskussionseifer stets ausgebremst und erklärt, dass dies weder von der Politik noch von der militärischen Führung gewollt wäre. Uns allen war klar, dass wir das nicht würden ändern können und trotzdem unsere Aufträge zu erledigen hätten, so gut es eben ging. Und zumindest die Motivation dafür war in diesen Tagen unbeschreiblich hoch.
Etwas später, die Gruppenbesprechung war längst vorbei, saß ich im Schneidersitz auf den wackeligen Holzbohlen im Flur. Ich war gerade dabei, meine Sachen in einen Spind zu räumen, den ich auf den Flur geschafft hatte.
Plötzlich stürzte Mü aufgeregt aus seinem Container und meldete einen Alarm. Kurze Zeit darauf saßen wir auf den Fahrzeugen. Das Sammeln hatte schon erheblich weniger Zeit gekostet als bei der letzten Alarmierung.
Wir haben einen vermuteten Sprengsatz in einem Culvert auf folgender Position, schilderte Muli auf dem Fahrzeug die Lage. Die Pioniere kommen als Kampfmittelbeseitiger mit, wir stellen den Geleitschutz.
Er zeigte uns die Karte und gab sie nach hinten weiter, damit wir auch einen Blick darauf werfen konnten. Während Mica sich die Position ansah, musste ich mir kurz klarmachen, dass mit einem Culvert eine Unterführung gemeint war. Wir mussten viel Neues dazulernen, was die Orientierung anfangs erschwerte. Ein Blick auf die Karte bestätigte Mulis Beschreibung, dass es von diesen Culverts hier Hunderte geben musste. Und jeder einzelne war ein möglicher Ort für einen Anschlag auf uns.
Eine Unterführung bot sich glänzend dafür an, eine Bombe darunter zu platzieren, um ein darüberfahrendes Fahrzeug in die Luft zu sprengen. Sie ersparte dem Attentäter das Aufgraben der Straße und verbarg ihn vor unserer Aufklärung, weil er sich im Graben der Unterführung nähern konnte. Somit war jede Brücke, jeder Tunnel und jede noch so kleine Röhre von hier bis zur afghanischen Grenze ein brandgefährlicher Ort.
Es komme nicht in Frage, jeden einzelnen Culvert zu überprüfen, hatte Muli uns erklärt. Das würde Wochen dauern. Und wenn man am einen Ende der Straße fertig wäre, könne man am anderen Ende gerade wieder von vorne anfangen.
Trotz der Aufklärungsdrohnen in der Luft konnten wir mit unseren schwachen Kräften nur eine unzulängliche Überwachung gewährleisten. Das Gebiet war zu groß.
Hinter uns hatten sich mittlerweile neben dem Rest des Golf Zuges auch die Kampfmittelbeseitiger und ein zum Jammer umgebauter Transportpanzer eingereiht, der verhindern sollte, dass Straßenbomben per Handy ausgelöst wurden. Die Kampfmittelbeseitiger sollten den Culvert überprüfen, wir kamen zu deren Schutz mit. Nach kurzer Zeit näherten wir uns im dichten Getümmel der Hauptstraße nach Kundus einer kleinen Seitenstraße – eigentlich nur wenig mehr als ein sandiger Feldweg und trotzdem unsere wichtigste Verbindung in den angrenzenden Distrikt. Gleich zu Beginn befand sich eine Baustelle, und Muli ermahnte uns zur Vorsicht.
Hier hat’s in letzter Zeit öfter geknallt!, rief er und meinte damit die Straßenbomben, die schon einige unserer Fahrzeuge erwischt hatten. Eine Baustelle mit ihren Erdhaufen und dem Schutt bot sich dafür genauso an wie ein Culvert.
Aber das ist unser einziger Weg zum Polizeihauptquartier vom Distrikt Chaha … Chaka …
Chahar Darrah, unterbrach ich ihn.
Genau, setzte Muli seine Ausführungen fort, dort, wo wir während der Raumverantwortung untergebracht sein werden. Muli erklärte weiter: Alle Engstellen, Baustellen und Culverts, überall wo wir langsamer fahren müssen und die Umgebung unübersichtlich ist, müsst ihr gut aufpassen!
Kurz nach der Abzweigung waren die Häuser schnell weniger geworden, und die Sicht öffnete sich auf ein breites Tal, das zum Horizont sanft abfiel. Die vielen Buschreihen und das Grün auf den Feldern erweckten den Eindruck eines sehr fruchtbaren Landstrichs. Die sandige Straße wurde bald immer breiter und mir fiel auf, wie viele Kinder auf der Straße waren. Muli befahl TJ langsamer zu fahren, weil der viele Staub die Sicht der Fahrzeuge hinter
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