Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
langsam auftauchen. Er war vielleicht zehn Meter entfernt. Ein Helm tauchte auf, eine Hand entglitt dem Staub, tastete sich vorwärts, weiter.
Muli!
Er taumelte aus der Wolke.
Ich blieb wie angewurzelt stehen. Konnte keinen Muskel bewegen, war wie festgewachsen. Mein Mund stand offen, als Muli mir langsam den Kopf zudrehte. Ich musste husten, hatte Staub und Sand geschluckt. Muli öffnete die Augen. Wir sahen uns an, schrien es gleichzeitig heraus: Hardy!
Nichts. Ich drehte mich nach hinten, in die Richtung, in der er irgendwo sein musste. Schrie wieder.
Hardy!
Die Zeit schien ein Spiel mit uns zu spielen. Fand es amüsant, uns in der Ungewissheit schweben zu lassen. Ich hörte nichts, konnte mich nicht bewegen. Jede Sekunde eine kleine Ewigkeit. Kein Laut von Hardy, kein anderes Geräusch.
Ich versuchte, mich zu konzentrieren. Sah wieder Muli an, dann die Staubwolke. Was, wenn Hardy nicht antworten würde? Ich wollte in seine Richtung laufen, kam aber keinen Zentimeter vom Fleck. Blickte in diese unwirkliche Wirklichkeit. Den Sand, der alles, was darin lag, verbarg. So als wollte er meinen Freund für die Ewigkeit bewahren. Hardy schien für immer gefangen zu sein. Und ich hoffte, ihn mit meiner Stimme zu erreichen, hoffte, diese gelbgraue pulverige Wand durchdringen zu können.
Hardy!
Noch immer keine Antwort. Ich überlegte, wie weit weg er vom Jammer gestanden hätte. Als ob es jetzt wichtig wäre, darüber nachzudenken, dass es wohl ziemlich genau schlappe fünf Meter gewesen waren. Wir waren immerhin fast zehn Meter entfernt gewesen.
Muli und ich schrien jetzt abwechselnd, dann wieder gleichzeitig seinen Namen.
Hardy!, Hardy!
Wir standen allein in der Wüste und kümmerten uns nicht darum, dass uns eine riesige Sandwand vom Rest der Kompanie trennte. Achteten nicht mehr auf das, was hinter uns sein könnte, waren für einen unerträglichen Moment zu zweit allein.
Hardy! Hardy!
Hier!
Eine leise Antwort. Es war Hardys Stimme. Ich hatte ihn gehört. Nur schwach. Aber gehört. Die Ewigkeit dieses Augenblicks zog an uns vorüber und entließ uns wieder in die Wirklichkeit. Aufatmen.
Hardy, komm rüber!
Ich hatte nicht gefragt, ob er überhaupt dazu in der Lage war, so absurd kam es mir vor, dass er verletzt sein könnte.
Wieder keine Antwort. Wieder eine kleine Ewigkeit. Die Augenblicke schienen zu tanzen, mal unendlich langsam und dann wieder schnell vorüberzugehen. Der Sand war immer noch dicht wie eine Wand, tobte vor unseren Augen mit seiner gewaltigen Kraft. Wieder Hardys Stimme.
Wohin?
Lauf meiner Stimme nach!, brüllte ich jetzt aus Leibeskräften.
Gespanntes Warten. Auf Hardy, auf meinen Freund. Warten auf den Schatten, den ich auch von Muli gesehen hatte. Gespenstische Stille. Die Wand aus Sand sank nun zu Boden, löste sich wie ein Nebelschleier langsam auf. Hardys Gestalt brach dazwischen hervor. Er durchstieß die Wand aus Staub, kam schwankend auf mich zu. Er ging geduckt. Als er nur noch einen Schritt entfernt war, löste sich meine Starre, gab mir mein Körper die Kontrolle zurück. Ich streckte den Arm nach ihm aus.
Bist du verletzt?, rief ich erregt und sah ihn an.
Nee, ich bin nur hart gefallen, sprudelte es aus ihm hervor.
Wie ein sich lösender Bann verschwand die Wolke langsam. Wir hatten sie bezwungen. Ich packte Hardy an der Schulter, schickte ihn zu Muli, wies ihm mit der Hand den Weg. Wir standen mitten auf dem Friedhof, wir waren genau in die entgegengesetzte Richtung der Explosion aus der Wolke gelaufen.
Was war passiert? Ich konnte bereits die Umrisse des Jammers erkennen, seine Konturen wurden schärfer. Der Jammer war zerstört. Vollkommen zerstört. Er stand in einem Krater, die Front steil aufgerichtet, genau wie der Dingo. Die Antennen waren abgeknickt oder gebrochen. Ein Reifen hing zerfetzt auf der Felge, überall lag Metall auf dem Boden verstreut. Ein Panzer, dessen einzige Aufgabe es war, die Explosion von Bomben zu verhindern, war von einer Bombe vollkommen zerstört worden. Ich versuchte, ein Zeichen der Besatzung zu erkennen.
Nichts.
Ohne zu zögern, rannte ich in Richtung des Panzers, der wie ein erlegtes Tier abgekämpft in dem Loch lag.
Ich dachte in diesem Moment nicht nach. Hätte ich es getan, wäre ich vielleicht nicht hingelaufen – direkt an den Ort, der gerade von einer gewaltigen Detonation erschüttert worden war und an dem womöglich noch eine dritte Bombe versteckt war. Als ich ankam, konnte ich den kompletten Krater sehen. Er war
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