Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
riesig. Die Bombe hatte eine unvorstellbare, zerstörerische Kraft entfesselt.
Ich betrachtete den Panzer. Hinten war fast nichts mehr von seinem Aufbau übrig. Die gewaltigen hinteren Panzertüren, jede fünfhundert Kilo schwer, waren wie Papier auf die Straße geschleudert worden. Vorne waren die Scheiben gesprungen, aber intakt. Nichts rührte sich. Ich schlug mit der Faust auf die Beifahrertür.
Nichts. Aber die Panzerung dämpfte stark. Unsicher stieg ich auf die Stufe und hielt mich irgendwie am Türriegel fest. Rutschte erst ab, fand dann doch wieder Halt. Öffnete nicht die Tür, sondern wollte mir zunächst einen Überblick verschaffen. Ich war bis zum Zerreißen gespannt. Was würde mich erwarten?
Mit dem Handschuh wischte ich den Staub von der Scheibe. Blickte sogleich in ein völlig verängstigtes Augenpaar. Der Soldat zitterte am ganzen Leib, war kreidebleich. Der Schrecken hatte Besitz von seinem Gesicht ergriffen, aber er war am Leben.
Mit deutlichen Handbewegungen fragte ich die zweiköpfige Besatzung nach ihrem Zustand.
Mit ebenso deutlichen, aber zitternden Bewegungen deuteten sie mir an, unverletzt zu sein.
Wir alle mussten der Katastrophe unglaublich knapp entronnen sein. Wahrscheinlich war die Bombe unter der hintersten Achse hochgegangen. Deshalb hatte niemand von uns etwas abbekommen. Wir verdankten diesem Koloss aus Stahl unser Leben. Ich streckte meinen Daumen hoch, wandte mich ab und rannte zu Muli.
Die beiden sind okay., rief ich atemlos und hockte mich neben ihm auf den Boden.
Alter, war das ein Knall, sagte Muli, völlig außer sich. Ich hab sofort nichts mehr gesehen. Und weißt du, was mein erster Gedanke war?, fragte er erschüttert. Warum habe ich das als Einziger überlebt?
Ich war nicht imstande, etwas dazu zu sagen.
Langsam schlug mein Herz wieder in normaler Geschwindigkeit, beruhigte sich meine Atmung. Hardy war bleich, lächelte aber schon wieder. Die Belgier waren in Ordnung, lagen neben uns auf dem Boden. Wir richteten die Waffen in Richtung des Friedhofs, wir wollten vorsichtig bleiben.
Als ich mich umdrehte, sah ich Mü auf der Straße in unsere Richtung rennen. Er wirkte völlig aufgelöst. Ich sprang auf und winkte ihm zu, er blieb stehen und hob den Arm, streckte den Daumen aus. Ich erwiderte seine Geste zum Zeichen, dass wir unverletzt waren. Erst jetzt fiel mir ein, dass wir ja Funkgeräte dabei hatten und sie aufgrund des kaputten Jammers wieder funktionierten. Ich hockte mich hin und drückte die Sprechtaste.
Mü, hier Joe, kommen, sagte ich mit zitternder Stimme.
Hier Mü, kommen, war die kurze, aber aufgeregte Antwort.
Hier Joe, setzte ich wieder an. Golf eins, Belgier und Jammer-Besatzung sind am Leben. Wir sind unverletzt. Ich wiederhole, unverletzt.
Vielleicht war es nur die jahrelange Übung, dass ich in der Lage war, diesen Funkspruch so klar zu formulieren.
Mü antwortete kurz und hörbar erleichtert: Mü verstanden, Ende.
Muli befahl uns, die Umgebung im Auge zu behalten. Wir gingen hinter einem Grab in Deckung, legten uns auf den Boden. Die Anspannung war von mir gewichen, und ich überprüfte, ob meine Waffe noch funktionierte. Nach ein paar Minuten führte Muli uns zu einem Wall, der vielleicht zwanzig Meter vor uns war und sich neben dem kleinen blauen Gebäude auf dem Friedhof befand.
Ist das nicht gefährlich, fragte ich. Was ist, wenn hier noch mehr Bomben vergraben sind?
Wir müssen von der freien Fläche runter, gab Muli zu bedenken. Hier haben wir viel zu wenig Deckung. Hinter dem Wall können wir uns aufrichten, die Arme und Beine ein wenig lockern. Ich trank gierig von dem lauwarmen Wasser in meinem Trinksack.
Ein bekanntes Brummen näherte sich am Himmel. Die Hubschrauber kamen. Endlich. Einer kreiste mit einem Maschinengewehr in der Luft, der andere ging in den Sinkflug über. Der Landeplatz war mit einer gelben Rauchgranate markiert worden. Während der Landung verursachte der amerikanische Hubschrauber eine Staubwolke, die mindestens ebenso groß war wie die der Explosion. Aber sie war nicht so statisch und furchteinflößend. Während der Verwundete abtransportiert wurde und wir immer noch ganz vorne an unserem Wall standen, begannen die belgischen Kampfmittelbeseitiger wieder damit, den Weg zum angesprengten Dingo abzusuchen. Während sie zuvor scheinbar beinahe lässig vorgegangen waren, setzten sie nun jeden Schritt langsam, genau und übervorsichtig. Penibel suchten sie jeden Stein und jeden Strauch, jede Vertiefung im
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