Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
Vom Netzwerk:
geschlossen und die Bombe gezündet. Man konnte die Vorrichtung so bauen, dass sie vom Gewicht eines Fahrzeuges ausgelöst oder schon vom Gewicht eines Menschen zur Detonation gebracht wurde.
    Muli und die beiden Belgier kamen zu uns. Es waren zwei gemütliche Männer mit Bärten, die so aussahen, als würden sie in ihrer Freizeit hinter dem Tresen einer Kneipe stehen. Muli nahm einen dicken Stein und fing an, Linien in den weichen Sand zu ziehen.
    So, wir gehen folgendermaßen vor, erklärte er. Die beiden Belgier gehen vorne. Dahinter bilden wir ein Dreieck. Joe geht links, ich geh rechts, Hardy geht hinten. Wir halten zu den Belgiern zehn Meter Abstand. Das ist nicht viel, aber reicht vielleicht zum Überleben, falls die doch noch auf eine Bombe stoßen. Hinter uns wird noch der Jammer sein, nur für alle Fälle.
    Er sagte das alles sehr ruhig und sachlich. Ich nickte und übersetzte es ins Englische. Die beiden Belgier hatten verstanden und gingen schon mal ein paar Meter nach vorne, aufs Friedhofsgelände. Nachdem die übrigen Fahrzeuge ihren Abstand zu uns vergrößert hatten, gab der Chef über Funk den Marschbefehl, und die Belgier setzten sich langsam in Bewegung. Sie wirkten sehr gelassen und gaben mir keinen Grund zur Sorge. Sie waren deutlich länger in Afghanistan als ich und hatten schon ihre Erfahrungen mit Straßenbomben gesammelt.
    Die beiden Männer ließen den Metalldetektor kreisen, einer drehte sich um und sah sich in Ruhe um. Die Sonne war inzwischen am Himmel aufgestiegen und entfachte ihr heißes und gleißendes Licht. Muli und ich nickten uns zu und gingen gemächlich los, bei jedem Schritt eine kleine Staubwolke hinterlassend. Als ich mich zu Hardy umdrehte, war der schon zügig weitergegangen.
    Ey, Hardy, rief ich ihm zu. Geh noch ’n Stück zurück und halt mehr Abstand zu uns beiden. Wenn hier was passiert, steckst du nicht gleich mit drin.
    Er nickte, rief dann aber noch zurück: Du willst bloß, dass ich näher am Jammer bin, damit ich später nicht mehr für Nachwuchs sorgen kann.
    Ich drehte mich grinsend um und sah den Himmel in einem breiten, hellblauen Band über uns liegen. Es schien ein weiterer heißer, nicht besonders ungewöhnlicher Tag in Afghanistan zu werden. Die Sonne stieg und hinterließ die weite Ebene unter sich in ihrer sandigen Trostlosigkeit. Im Augenwinkel glaubte ich einen Vogel zu erkennen, der über den entfernten Bergen seine Kreise zog.
    Über das Funkgerät hörte ich, dass der Medevac-Hubschrauber für den Verwundetentransport in Kürze im Feldlager starten würde. Dann befahl der Chef per Funk, den Jammer einzuschalten. Damit war der Funkverkehr unterbrochen, denn der Jammer blockierte nicht nur feindliche Handys, sondern auch unsere Funkgeräte. Der Motor des Jammers heulte hinter mir auf. Er musste wohl etwas Gas geben, um die kleine Steigung auf der Zufahrt zum Friedhof hinaufzukommen und hinter uns Position beziehen zu können.
    WUUUUUMMM!
    Ich verlor den Boden unter den Füßen. Schleuderte herum. Schlug hart auf. Staub, überall Staub. Es piepte laut in meinem Ohr. Benommenheit, keine Orientierung. Das Gesicht im Sand. Die Zeit stand für eine Sekunde still. Mein Herz raste. Es schlug! Augen auf. Augen zu. Ich öffnete sie wieder, konnte aber nichts erkennen. Ich tastete mit den Händen nach der Erde unter mir. Bewegte meine Arme, dann meine Beine. Suchte nach meinem Gewehr. Fand es. Drehte den Kopf nach rechts, dann nach links. Ich erkannte nichts. War in einer riesigen gelben Wolke gefangen. Musste husten. Sand auf der Zunge, zwischen den Zähnen, einfach überall. Ich drehte mich unendlich langsam auf den Rücken, tastete meinen Oberkörper ab. Kein Blut, keine Verletzung. Ich richtete mich auf. Immer noch Sand. Überall. Er schien in der Luft zu stehen, es gab keinen Wind, der ihn hätte forttragen können. Langsam entglitt ich der Schwebe, die Zeit lief weiter, gab mich schließlich wieder frei. Ich musste weg. Scheiße, wohin laufen?
    Ich lief instinktiv in die Richtung, in der ich mit dem Gesicht gelandet war. Nach wenigen Metern Blau. Der Himmel! Ich war immer noch benommen. Drehte mich um. Verdammt, wo ist Muli, wo Hardy? Die Sandwolke war riesig. Breitete sich langsam weiter aus. Verschlang alles, was ihr begegnete.
    Ich sah die Belgier, war erleichtert. Sie waren weit genug weg. Aber scheiße, wo sind Muli und Hardy? Plötzlich ein Schatten. Er trat langsam aus der Wolke heraus, drehte unsicher den Kopf, suchend. Ich sah ihn unendlich

Weitere Kostenlose Bücher