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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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lachende oder schreckliche Grimasse werden würde.
    Plötzlich lachte er laut los. Wizo setzte ein, und nach einem kurzen Moment saßen wir drei wild lachend in unseren Sitzen. Es wurde immer stärker. Mica prustete und auch ich hielt mir den Bauch. Es war absurd. Ich konnte nicht sagen, warum wir so laut lachten. Aber es war ein befreiendes Lachen. Ein Lachen, das alles, was passiert war, wegfegte.
    Muli unterbrach uns.
    Was ist so komisch?, fragte er, als er an meine Tür trat.
    Der Kiosk, versuchte Mica zu erklären, aber er bekam nicht mehr als diese Worte heraus. Wir konnten uns kaum beruhigen.
    Los, runter mit euch, befahl Muli. Der Chef hat gefragt, ob wir noch in der Lage sind zu kämpfen. Ich kenne euch und hab ja gesagt. Deshalb müssen wir sofort aufmunitionieren und uns marschbereit machen. Wir gehen zurück dorthin.
    Schlagartig wurde es wieder still.
    Das ist nicht dein Ernst, meinte ich zu ihm und wusste doch, wie die Antwort lauten würde.
    Los jetzt, wir müssen uns beeilen. Die Schützenpanzer fahren vor, wir hinterher, weil wir uns dort auskennen. Der Chef sitzt vorne beim ersten Panzer mit auf, wir sollen die Sicherung nach hinten übernehmen.
    Der Plan erschien mir sinnvoll. Wir hatten noch nie gekniffen. Wenn wir sie packen wollten, dann jetzt. So waren wir. So hatten wir bisher alles heil überstanden. Und trotzdem fühlte ich mich schlecht. Ich wollte nicht noch einmal da hin. Nicht in dieser Nacht. Ich fühlte mich hundeelend.
    Als ich mir im Lagerraum volle Magazine für meine Waffe besorgte und mein Gewehr überprüfte, musste ich die ganze Zeit daran denken, was mit uns gerade passiert war. Die Hilflosigkeit war am schlimmsten. Wir hatten nichts tun können. Sie hatten uns von allen Seiten angegriffen. Es war gut geplant worden. Die Dunkelheit hatte uns diesmal nicht geholfen. Bisher waren wir nachts immer überlegen gewesen. Aber heute hatten uns die Nachtsichtgeräte, die modernen Waffen, das Infrarotlicht nicht das Geringste genutzt.
    Mir wurde schlecht. Ich konnte dieses Gefühl des Ausgeliefertseins nicht ertragen.
    Als ich ins Freie taumelte, musste ich mich fast übergeben. Mein ganzer Körper zitterte. Ich sah in den tiefschwarzen Nachthimmel und schloss kurz die Augen. Ich fühlte nichts, aber mir war weiterhin zum Kotzen zumute. Der Versuch, tief durchzuatmen, endete darin, dass ich würgen musste. Eine unglaubliche Wut stieg in mir hoch, und ich wusste, das ging nicht nur mir so. Ich lief in den Schlafraum und holte eine neue Flasche Wasser. Ich trank den halben Liter in einem Zug aus und warf die Flasche auf den Boden.
    Als ich wieder auf dem Dingo saß und meinen Helm schloss, kam die Angst.
    Die Angst, dort wieder hinzumüssen. Die Angst, dass es vielleicht noch nicht zu Ende sein würde. Ich war wie in einem Kokon gefangen, der mir aber keinen Schutz bot, sondern mich unbeweglich und angreifbar machte. Eine Schildkröte auf dem Rücken, die mit den Beinen strampelte.
    Die anderen waren ruhiger als sonst, kaum einer sagte etwas. Muli versuchte, die Situation zu lockern.
    Die Panzer werden denen jetzt den Rest geben!
    Es half nichts. Den Rest geben? Dass keiner von uns das Geringste abbekommen hatte, grenzte an ein Wunder, bei allem, was passiert war.
    Meine Gedanken schwirrten ziellos umher. Ich versuchte mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Um mich abzulenken, sah ich durchs Fenster in die Nacht hinaus.
    Der Chef forderte Luftunterstützung an. Ein amerikanischer B1-Bomber kreiste über uns. Aber als wir in dem Dorf ankamen, passierte nichts weiter. Entweder waren die Feinde durch den Anblick der Panzer eingeschüchtert, oder sie hatten sich längst verzogen. Wir standen ein paar Minuten mit den Fahrzeugen auf der Straße herum, dann fuhren wir zurück.
    Als ich später im Schlafraum auf mein Handy schaute, war dort ein Anruf in Abwesenheit verzeichnet. Es war die Nummer meiner Freundin. Die Anrufzeit war kurz vor zwölf gewesen. Ich rief sie an, obwohl ich wusste, wie teuer es war.
    Ist alles in Ordnung mit dir?, waren ihre ersten Worte. Ich hatte um kurz vor zwölf ein schreckliches Gefühl, so als ob du in etwas ganz Schlimmem drinsteckst.
    Während sie das sagte, versagte mir die Stimme. Schließlich fand ich doch noch einige Worte.
    Sie schluchzte.
    Ich schluckte. Ihre Unterstützung bedeutete mir so viel. Als wir uns verabschiedet hatten, ging ich ins Bett. Der Schein einer Kerze flackerte unruhig an der Decke entlang. Wir hatten sie aufgestellt, um nicht unnötig

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