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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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viel Licht zu machen, wenn der Rest schon schlief. Es war schlimm, wenn man keinen Schlaf fand, obwohl der Körper vollkommen ausgepowert war.
    Was ist diese Nacht geschehen?, fragte ich mich. Es war schon einige Male knapp gewesen. Was war diesmal anders?
    Mir fiel der Karfreitag wieder ein, an dem unsere Kameraden nicht so glimpflich davongekommen waren. Wie müssen sie sich gefühlt haben? Mir fiel die Hilflosigkeit wieder ein. Mir fiel ein, dass wir uns nicht einmal richtig hatten wehren können. Zu Statisten verdammt. Weil wir in einer engen Straße gefangen gewesen waren, weil es Durcheinander gegeben hatte, weil es zu viele von zu vielen Seiten waren.
    Vermutlich rettete uns unser Zusammenhalt. Das viele Training, ohne das wir wahrscheinlich wie die Grashüpfer durcheinander und ins feindliche Feuer gesprungen wären. Ich dachte an Mica. Er hatte unglaublichen Mut bewiesen. Es fühlte sich gut an, mit solchen tapferen Männern zusammen zu sein, sich auf sie verlassen zu können. Auch wenn nicht alles hundertprozentig geklappt hatte, hatte doch jeder in meiner Gruppe gewusst, was er zu tun hatte. Aber es war so knapp gewesen.
    Würden wir immer so ungeschoren davonkommen? Wir hatten heute Nacht das erste Mal unsere Überlegenheit eingebüßt. Ich spürte, wie nah wir dem Tod in dieser Nacht gekommen waren. Ich wurde wieder unruhig und spürte die Ursache:
    Der Krieg war nun endgültig in unseren Köpfen angekommen.

HÖHE 432
    Ein Knall. Der Aufprall war hart. Ich schlug heftig auf, das Gesicht im Staub. Meine Hände krallten sich in den Boden, Steine und Sand brannten in der aufgeschürften Haut. Ich rollte mich schwerfällig auf den Rücken, öffnete vorsichtig die Augen. Für einen Moment drehte sich der blaue Himmel über mir. Ich musste die Augen zusammenkneifen. Als ich die Hand vor das Gesicht hielt, rieselte mir feiner Dreck in die Nase. Ich musste niesen, hatte Schmerzen in der Brust. Zwischen meinen gespreizten Fingern konnte ich eine dunkelhäutige Hand erkennen, die nach mir griff.
    Stimmen aus dem Hintergrund, Lachen.
    Ich wollte aufstehen, griff nach der Hand, obwohl ich nicht wusste, wem sie gehörte. Schließlich zog ich mich mühsam daran hoch und blickte in ein grinsendes Gesicht. Die Übrigen ringsherum lachten.
    Come on, let’s go, rief der Mann, der mich angegrinst hatte, und schlug mir heftig auf die Schulter. Dann drückte er mir etwas in die Hand und rannte zu den anderen.
    Ich brauchte einen Moment, um mich zu orientieren. Während ich den rauen Lederball warf, wurde mir wieder bewusst, wie er mich umgerannt hatte. Ich war unachtsam gewesen, hatte nicht aufgepasst. Da erwischte er mich und riss mich zu Boden.
    Es war nicht das erste Mal, dass wir mit den Amerikanern Football spielten. In der Mittagssonne im Polizeihauptquartier. Aber diesmal würde ich wohl ein paar blaue Flecken mehr behalten als sonst. Ein paar Deutsche waren dabei, einige schauten zu. Es roch nach Männerschweiß. Sand wirbelte durch die Luft. Eine gute Abwechslung, Entspannung vom Alltag. Abschalten. Es war fairer und ehrlicher Sport. Niemand trug Blessuren davon, die nicht nach ein paar Tagen wieder verschwunden wären.
    Nach der Rückkehr ins Feldlager stand ich unter der Dusche. Vollkommen regungslos ließ ich mich vom Strahl treffen, der den Duschkopf verließ und alle Gedanken aus meinem Kopf herauszuschwemmen schien.
    Auf dem Weg zu meinem Container traf ich auf Jonny.
    Hey, komm ma bitte mit, sagte er mit ernster Miene.
    Ich folgte ihm. In seinem Container saß Kruschka auf seiner Kiste, das Gesicht tief in den Händen vergraben. Nossi war dort und auch Muli. Sie saßen Kruschka gegenüber auf dem Bett und sahen ihn schweigend an. Ich blieb in der Tür stehen, wartete auf eine Reaktion der anderen. Jonny ging zu Kruschka und setzte sich neben ihn. Dieser regte sich nicht. Doch dann konnte ich eine kleine Bewegung ausmachen. Seine Hände zitterten, fast unmerklich.
    Nossi blickte auf, sah mich mit einem seltsamen Ausdruck an. Er schluckte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er schließlich den Mund öffnete.
    Dann sagte er mit vollkommen ruhiger Stimme: Kruschka hat einen Anruf aus Deutschland bekommen.
    Er machte eine Pause, schien das Folgende nicht aussprechen zu wollen. Ich blickte ihn fragend an, wartete regungslos auf seine Worte. Nossi formte sie langsam und mit Bedacht.
    Seine Tochter und ihre Mutter sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
    Stille.
    Ich dachte nach und nickte. Etwas schwerfällig

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