Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
eingesetzt. Es war unvermeidlich gewesen, schließlich wechselten sich die Züge ab. Und obwohl ich schon viel über den schrecklich eintönigen Dienst auf den beiden Hügeln gehört hatte, kam mir nach den Erlebnissen der letzten Zeit eine kleine Pause von den Patrouillen und Gefechten gelegen. Brandys Gruppe Golf zwei sollte Höhe 431 besetzen. Wir wurden auf Höhe 432 geschickt und würden dort zusammen mit Mü unseren Dienst verrichten. Ich war darüber verwundert, aber Muli sagte, dass er vor Ort sein wolle, weil diese Höhe näher am Feind lag.
Vor der etwa fünfzehn Meter hohen Erhebung 432 befand sich eine planierte Fläche, die von einem flachen Wall und Stacheldraht umgeben war und wo die Fahrzeuge abgestellt wurden. Dort befanden sich auch das Notstromaggregat und drei Dixie-Toiletten. Die einzigen Sanitäranlagen, wie sich bald herausstellte.
Die alte Besatzung beeilte sich, von diesem Sandkegel herunterzukommen, und wir schwitzten und fluchten bereits am ersten Tag, weil wir die ganze Ausrüstung den steilen Pfad hinaufschaffen mussten. Schon jetzt breiteten sich Ärger und Aggression in der Gruppe aus, weil jeder misstrauisch die anderen beobachtete. Jeder hatte Angst, mehr tragen zu müssen als der Rest. Simbo fluchte wie gewohnt.
Ich könnt kotzen, verfickte Scheiße, rief er, als er mir mit zwei Kartons voll mit Wasserflaschen entgegenstapfte.
Hardy und TJ schimpften ebenfalls.
Muli und Mü hatten sich von den Kameraden einweisen lassen, die wir ablösten, während wir das Gepäck schnaufend nach oben wuchteten. Als endlich alles oben war, machte Muli mit uns einen Rundgang für die erste Übersicht. Die Krone des Hügels war von Schützengräben durchzogen. An den Ecken befanden sich Stellungen, die mit dicken Balken und Sandsäcken abgedeckt waren. In der Mitte des Hügels lagen die Unterkünfte. In den Erdboden gegrabene Löcher mit Lehmwänden. Darüber Stahlträger mit mehreren Schichten Sandsäcken darauf als Dach. Im Inneren war es dunkel und stickig.
Mit jedem neuen Einsatzort schienen wir uns weiter zurückzuentwickeln. Nach dem komfortablen Feldlager hatten wir das schimmelige Polizeihauptquartier bezogen. Und jetzt waren wir hier gelandet: in einer schmutzigen sandfarbenen Einöde, inmitten des grünen Kundus-Tals. Ich musste sofort an die Schützengräben des Ersten Weltkrieges denken. Aber vermutlich war es unseren Urgroßvätern noch weitaus schlechter ergangen.
Die Unterkünfte waren eng. Schnell hatten sich kleine Gruppen gefunden, die gemeinsam untergebracht werden wollten.
Muli fragte mich, ob ich mit ihm in einem der Unterstände schlafen würde. Ich sagte gerne zu. Ab sofort erwartete uns das öde Besatzungsleben auf Höhe 432.
Schnell hielt die Langeweile Einzug. Noch schneller wurde unser Aufenthalt zur Belastung. Tagelang auf diesem schmalen Haufen Dreck gefangen zu sein. Gleichzeitig ständig wachsam sein zu müssen. Muli ermahnte uns immer wieder, die Augen offen zu halten und die Umgebung zu beobachten. Beobachten. Tag und Nacht. Tagsüber mit dem Fernglas, nachts mit dem Nachtsichtgerät. Vier Stellungen in den Ecken waren tagsüber immer besetzt. Nachts waren nur zwei Teams eingeteilt, die in der Mitte auf den Dächern der Unterkünfte saßen.
Ich hatte keine Ahnung, ob es irgendeinem Feind in den Sinn gekommen wäre, uns dort oben anzugreifen. Gegen einen gut getarnten Scharfschützen hätten wir sowieso nicht viel ausrichten können. Und niemand hätte Lust gehabt, sich eine Woche lang nur auf dem Boden kriechend fortzubewegen.
Inzwischen hatte sich vor allem in Nossis Trupp die Meinung durchgesetzt, dass wir einen Angriff nicht würden verhindern können. Wir würden es beim ersten Knall sowieso mitbekommen.
Muli dagegen setzte darauf, immer die Augen offen zu halten, jeden Baum, jeden Busch zu beobachten. Er kontrollierte uns oft. So gewann unser Trupp langsam den Eindruck, dass es die anderen leichter hatten als wir. Sie schienen uns sogar zu belächeln. Ich spürte die Zwickmühle deutlich, in der wir uns befanden. Einerseits konnte ich Muli verstehen, der nicht nur für uns verantwortlich war, sondern seine Arbeit gut machen wollte. Die anderen wollten das auch. Aber sie gingen es mit mehr Gelassenheit an.
Je länger der Einsatz dauerte, umso mehr traten Risse und Spalten zwischen uns auf.
Inzwischen war die Getreideernte vorbei. Die meisten Felder ringsum hatten ihre Farbe von Gelb zu Braun gewechselt, der Boden wurde wieder bearbeitet.
Der
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