Vierbeinige Freunde
hinunterzuschauen, Kinuli konnte ja zerschmettert unten liegen! Kinuli aber hatte sich hinter die Tür geduckt, sie wollte anscheinend Versteck spielen. Kaum hatte ich ihr den Rücken zugedreht, als sie auch schon auf mich zusprang, mich mit ihrem Schnäuzchen anstieß und schmeichelte. Auf diesen Schreck hin spannten wir ein Netz um unseren Balkon. Pünktlich auf die Minute erwartete Kinuli jeden Tag die Zeit meiner Heimkehr. Sie war voller Unruhe, lauschte und wartete. Ich hätte nicht wegbleiben können, hätte nirgendwohin verreisen können. Einmal war ich in unser Sommerhaus hinausgefahren, kam erst nach zwei Tagen wieder zurück und fand zu Hause alles in hellster Aufregung: Kinuli hatte seit zwei Tagen nichts gefressen. Und wie freute sie sich, als sie mich sah! Sie wich mir den ganzen Tag nicht von der Seite. Wenn ich zur Tür ging, kam sie mit, umfaßte meine Füße und hielt sie fest. Großmutter sieht sich das an und schüttelt den Kopf:
„Ach, was bist du doch ungezogen, dich immer so an Muttern zu hängen!“
Was blieb aber Kinuli auch weiter übrig? Sie hatte ja, außer mir, niemanden, mit dem sie hätte herumtollen können! Früher waren ja die Kinder dagewesen, aber jetzt, da sie alle fort waren, plagte sie die Langeweile. Gewiß, Peri war noch da, aber sie taugte nicht zum Spielgefährten: Tag und Nacht lag sie unter dem Tisch und schlief. Kinuli hatte schon oft versucht, mit der Pfote ihren Schwanz zu fassen und sie von dort hervorzuziehen! Soviel sie sich aber auch mühte und zog, Peri drehte sich nur auf die andere Seite und schlief weiter.
Spaziergänge
Als Kinuli drei Monate alt war, beschloß ich, sie spazierenzuführen. Ich nähte ihr ein Halsband mit Brustriemen, um sie bequemer führen zu können, und tat es ihr um. Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß Kinuli in solche Wut geraten würde, als sich das Halsband um ihren Hals legte. Sie brüllte auf und warf sich vorwärts, dann schob sie die Zähne unter den Brustriemen und biß und zerrte daran. Je mehr sie aber zerrte, desto enger wurde das Halsband. Kinuli war wie von Sinnen. Sie wälzte sich auf dem Boden, knurrte und schlug mit den Pfoten um sich. Endlich gelang es mir, ihr das Halsband wieder abzunehmen. Doch auch ohne Halsband konnte sie sich gar nicht beruhigen und jagte noch lange durchs Zimmer. Eine Stunde später versuchte ich ein zweites Mal, ihr das Halsband umzulegen. Ich kraulte ihr vorsichtig das Bäuchlein und schloß dabei die Schnalle des Halsbandes. Kinuli machte zwar wieder Versuche, sich zu befreien, doch das zugeschnallte Halsband verursachte ihr weniger Unbequemlichkeit, und sie beruhigte sich wieder. Einige Minuten später betrat ich mit Kinuli und Peri die Straße.
O wie war Kinuli erschrocken! Vom Fenster unseres Zimmers aus war ihr alles so klein und fern erschienen. Hier aber war alles so groß und furchterregend. Vor Schreck wurde die Ärmste erst ganz still, dann versuchte sie sich loszureißen. Sie wollte nach Hause zurücklaufen. Bald warf sie sich auf den Boden und tat keinen Schritt, bald wieder sprang sie mit solcher Wut seitwärts, daß sie mich mit fortzerrte. Um das ohnehin erschreckte Löwenkind nicht noch mehr zu ängstigen, gab ich ihm möglichst viel Freiheit. Ich folgte ihr, wohin sie zerrte, und beruhigte sie durch Liebkosungen. Auch Peri war eifrig bestrebt, zu helfen. Der kluge Hund tat dies auf seine Art. Er ging dicht neben dem Löwen her, als wäre er an ihn festgebunden. Wenn Kinuli einmal stehenblieb oder sich sehr aufregte, leckte ihr Peri teilnehmend die Schnauze und stieß sie sacht mit der Nase an.
So gewöhnten wir Kinuli von Tag zu Tag, ganz allmählich, an die Spaziergänge. Vom Hof aus führte ich sie über die Straße nach Hause. Bis zum Tor ging Kinuli tapfer mit, fürchtete sich aber, die Straße zu betreten. Sie wurde unruhig, miaute und zerrte zurück in den Hof.
Ich hätte ja ohne weiteres vom Hof aus direkt ins Haus gehen können, aber ich führte sie absichtlich über die Straße, um sie an den dort herrschenden Lärm und an die Menschen zu gewöhnen. Sie sollte nicht so scheu bleiben. Bald hatte sich Kinuli auch an den Straßenlärm gewöhnt und lief nun ganz beherzt mit. Sie folgte mir wie ein großer, gehorsamer Hund. Sie bewegte sich so unauffällig, so ruhig, daß nicht einmal jeder Passant sie bemerkte.
Dafür aber war das Aufsehen um so größer, wenn einer den Löwen in ihr erkannte! Im Nu waren wir von einer Menschenmenge eingeschlossen. Es erhob
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