Vierbeinige Freunde
sich Lärm und Geschrei, der ganze Verkehr kam ins Stocken. Chauffeure und Schaffner ließen ihre Autos, Straßenbahnen und Taxen im Stich und kamen angelaufen, um Kinuli zu sehen. Alle mußten den Löwen auf der Straße gesehen haben. Für gewöhnlich befreite uns in einem solchen Falle die Miliz. Unvermutet erschien ein Milizmann auf der Bildfläche, stieß die Menge auseinander, bis er an uns heran war, und nachdem er sich das unbekannte Tier sattsam angesehen hatte, begann er seines Amtes zu walten. Es war aber nicht so einfach, all die Neugierigen auseinanderzutreiben, meist mußten wir in einer Toreinfahrt versteckt werden, bis der Verkehr wieder in Gang kam.
Es geschah öfters, daß wir auf unseren Spaziergängen Hunden begegneten. Diese verhielten sich ganz verschieden. Einige stürzten gleich auf Kinuli los und bellten sie böse an, andere wieder liefen gleich davon, alle aber hüteten sich, Kinuli anzupacken.
Einmal begegnete uns eine Dame mit einem Pinscher. Das war ein kleines, stumpfnasiges Tierchen mit kurzen Beinchen und zartem, seidigem Fell. Am Halsband hatte es eine große, hellblaue Schleife. Das Hündchen trippelte wichtig vor seiner Herrin her. Sie gingen auf der anderen Straßenseite.
Da sah der Pinscher Kinuli. Er hielt den Löwen wohl für einen Hund, blieb stehen und knurrte. Dann riß er sich plötzlich los und stürzte sich auf Kinuli. Zu spät erkannte er, daß er keinen Hund vor sich hatte.
Armes, kleines Pinscherchen! Wie hatte es sich verwandelt! Wo war sein Kampfesmut geblieben? Nicht mehr fähig, im Laufen anzuhalten, prallte es mit vor Schreck herausgequollenen Augen unter keifendem Gebell, das schon in Heulen überging, gegen Kinuli und fiel sogleich hin. Es sprang aber sofort wieder auf und riß aus. Mit eingezogenem Schwanz jagte es mitten auf der Straße dahin. Seine Herrin rannte hinter ihm her, vergeblich bemüht, es einzuholen.
Ganz verdutzt blickte Kinuli der tanzenden blauen Schleife nach, bis sie an einer Straßenbiegung ihren Blicken entschwunden war. Dann drehte sie sich träge weg, gähnte und setzte würdevoll und gemessen ihren Spaziergang fort.
Kinuli war für lange Spaziergänge nicht zu haben. Nach ein bis anderthalb Stunden verlangte sie heim. Unsere Haustür kannte Kinuli sehr gut. Sie kannte auch unsere Wohnung, lief schnell die Treppen hinauf und kratzte an der Tür.
Nach dem Spaziergang fraß Kinuli besser. Zum Frühstück gab ich ihr Eier. Kinuli brachte selbst ihr Schüsselchen, wobei sie es mit den Zähnen hielt, und gab es mir in die Hände. Ich schlug die Eier hinein und stellte es vor Kinuli hin. Auch Peri bekam ihr Frühstück. Sie standen nebeneinander und fraßen ein jedes aus seinem Schüsselchen. Kinuli war immer als erste fertig. Mit ihrer wie ein Reibeisen rauhen Zunge leckte sie sorgfältig ihr Schüsselchen aus, doch fiel es ihr nie ein, Peri das Futter wegzunehmen. Die Hündin fraß langsam und lange. War sie dann fertig, ging sie ebenso langsam zu dem Löwenkind und leckte ihm die mit Ei beschmierte Schnauze sauber. Dann legten sich beide, eng aneinandergeschmiegt, schlafen.
Eine vierbeinige Schauspielerin
Ich wurde oft von Bekannten und auch von Freunden gefragt, ob Kinuli nicht einmal gefilmt würde.
„Wissen Sie“, sagten sie, „das ist doch vielleicht der einzige Fall, daß ein Löwe in einem Zimmer aufgezogen und gehalten wird. Schade, daß das nicht in einem Film festgehalten ist!“
Mir tat es selber leid. Es gab ja soviel Interessantes, wie gern hätte ich das alles im Bild gehabt. Ich selber besaß keinen Fotoapparat und wußte auch nicht, an wen ich mich wegen einer Filmaufnahme wenden sollte. Da bot sich von selbst eine Gelegenheit. Der Regisseur vom Sowjetischen Kinderfilm machte im Zoo Aufnahmen für einen Film mit dem Titel „Hunde und Wölfe“. Bei dieser Gelegenheit hatte er erfahren, daß ich einen Löwen zu Hause aufzog, und so machte er mir den Vorschlag, Kinuli zu filmen.
Es versteht sich ja wohl von selbst, daß ich mit Freuden zusagte!
Am Sonntag kam der Regisseur mit einem Kameramann zur Aufnahme. Sie brachten ihren Apparat, einen Dreifuß und eine Kiste mit. Schwer bepackt, betraten sie zum ersten Mal unsere Wohnung. Sie stellten alles hin und gingen, um der Schauspielerin ihre Aufwartung zu machen.
Kinuli empfing die fremden Menschen mit Mißtrauen. Lange beroch sie die Kleidung und die Füße der Ankömmlinge, ehe sie ihnen gestattete, sie anzufassen. Doch kam es an diesem Tage nicht mehr zu einer
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