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Vierbeinige Freunde

Vierbeinige Freunde

Titel: Vierbeinige Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wera Tschaplina
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der kurze Lebensfaden des kleinen Luchses ganz jäh zerrissen.
    Wieder allein
    Kinuli grämte sich sichtlich. Sie hatte niemanden mehr zum Herumtoben, niemanden mehr zum Spielen. Kinuli verlangte nach Tasko, sie schrie, ging an der verschlossenen Tür auf und ab und versuchte, sie buchstäblich mit der Stirn einzustoßen. Ich ließ sie aber nicht ins Zimmer. Es mußte ja erst alles gereinigt, gelüftet, aufgeräumt und in den früheren Zustand versetzt werden. Die Gardinen wurden wieder aufgehängt, die Obstschale kam auf ihren alten Platz. Das Zimmer wurde wieder gemütlich, nichts erinnerte mehr an Tasko, nur eine große Fotografie des Luchses. Und doch konnte ich ihn nicht vergessen. Trat ich ins Zimmer, so glaubte ich immer, seinen langen, schmalen Schatten zu sehen. Auch Kinuli erinnerte sich seiner. Erst drei Wochen später ließ ich Kinuli wieder in das Zimmer. Kinuli stürmte hinein, als wären gar keine drei Wochen vergangen und als erwartete sie, hinter jeder Ecke auf Tasko zu stoßen. Doch Tasko war nicht da. Kinuli suchte ihn unter dem Schrank, unter dem Tisch, unter dem Bett. Sie suchte ihn allerorten, wo sich der kleine Luchs nur irgend hätte verkriechen können – und fand ihn nicht.
    Kinuli war wieder allein. Sie hatte ihren Kameraden verloren und grämte sich. Sie fraß schlecht, lag den ganzen Tag da, den Kopf zwischen die Schultern gesteckt, und stand nur selten auf
    Auf alle nur erdenkliche Art versuchten wir, Kinuli aufzuheitern. Wir kauften ihr einen neuen Ball und andere Spielsachen, eine Nachbarin brachte ihr ein Paar alte Pantoffeln und ein Nachbar sogar sein Grammophon. Das Grammophon hatte er erst kurz zuvor gekauft, nahm es sehr in acht – nicht einmal seine Frau durfte darangehen –, und nun brachte er es dem Löwenkind. Ein Löwe und ein Grammophon, das war etwas nicht ganz Alltägliches. Kinuli erschrak, als die Musik ertönte. Sie kroch in sich zusammen, drückte sich in den entferntesten Winkel des Zimmers und wollte um keinen Preis näher kommen. Doch schließlich siegte die Neugierde.
    Lange betrachtete der junge Löwe den ihm unbekannten Gegenstand. Er ging um den Apparat herum und beschnupperte ihn. Dann aber, als hätte er es mit etwas Lebendigem zu tun, versuchte er, ihm einen Schrecken einzujagen. Er kam ganz dicht heran, knurrte und schlug mit seiner kleinen Pfote auf den Boden. Dann wartete er, ob das Ding erschrak oder nicht. Doch das Grammophon erschrak nicht, lief nicht davon, sondern blieb regungslos auf seinem Platz, und da beruhigte sich Kinuli.
    Es war interessant zu beobachten, wie Kinuli auf die verschiedenen Musikstücke reagierte. Es war offensichtlich, daß sie dieselben unterscheiden konnte. Die einen gefielen ihr, die anderen nicht. Wir ließen den Foxtrott „Das Leben“ spielen, Kinuli kam näher und legte sich hin. Dann sang eine Männerstimme, Kinuli drehte sich um und fauchte. Aufmerksam hörte sie sich den Foxtrott „Der Herbst“ an und lief davon, sowie ein vielstimmiger Chor zu singen anfing – Chorgesang liebte sie gar nicht und lief regelmäßig vor ihm davon bis auf den Balkon.
    Der Balkon war Kinulis Lieblingsplatz. Jagte man sie dort weg und schloß die Tür zu ihm ab, stellte sie sich auf die Hinterbeine und zerrte so lange mit den Vorderpfoten an der Türklinke, bis die Tür aufging. Es war ja auch so interessant auf dem Balkon! Man konnte sich auf den Sessel setzen und beobachten, wie unten im Hof die Jungen tollten, wie Autos und Pferdegespanne ein- und ausfuhren. Von der Höhe des zweiten Stockwerks aus erschien alles ganz klein, viel kleiner, als es in Wirklichkeit war. Da kommt ein Auto in den Hof, genau wie das von Tolja, mit dem sie zu spielen gewohnt war. Kinuli springt auf und versucht, vom Balkon aus zu dem Auto zu gelangen. Da fährt unten das Auto wieder fort. Kinuli blickt ihm enttäuscht nach, während die Kinder sie von unten her verspotten und auslachen: „Ätsch, Kinuli, hast’s verpaßt!“
    Die neue Wohnung
    Mein Bruder Wassja war in Urlaub gefahren. Er hatte in derselben Wohnung mit uns ein großes, helles Zimmer mit Balkon, und wir beschlossen, für die Dauer seiner Abwesenheit in sein Zimmer überzusiedeln.
    Kinuli und Peri reagierten sehr verschieden auf den Umzug. Peri legte sich ohne weiteres unter den Tisch und schlief, Kinuli dagegen wanderte durchs Zimmer und beroch und beschaute alles. Und erst als sie damit fertig war, legte auch sie sich nieder.
    Wir hatten Kinuli ein Lager an der Tür hergerichtet, doch da

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