Vierbeinige Freunde
endlich ein übriggebliebenes Einzelstück aus dem Schaufenster einer Apotheke ergatterte.
Hiermit war aber die Angelegenheit noch lange nicht erledigt. Kinuli wollte mit dem neuen Sauger nicht trinken. Sie nahm ihn wohl ins Maul, spuckte ihn aber gleich wieder aus, beschnupperte ihn und ging weg.
Nun war ich aber ernstlich böse, ich nahm das Löwenkind auf den Arm und stopfte ihm den Sauger ins Maul. Doch auch das half nichts. Sooft ich auch die Prozedur wiederholte, Kinuli behielt den Sauger einfach nicht im Maul, sie spuckte ihn immer wieder aus. Und ich verstand wohl: Der alte Sauger war nach Gefühl, Geschmack und Geruch ganz anders gewesen. Kinuli war an den alten gewöhnt und wehrte sich gegen den neuen so, wie sie sich ganz natürlich gegen eine neue Mutter auch gewehrt haben würde. Und was haben wir mit dem Sauger nicht alles angestellt: Erst wurde er im Wasser gekocht, um ihn geschmeidig zu machen, dann in Milch, um ihm einen anderen Geruch zu geben – auch das half nichts. Kinuli brüllte vor Hunger, denn ohne Milch fraß sie ja auch kein Fleisch. Trotzdem trank sie ihre Milch nicht mit dem neuen Sauger.
So vergingen drei Tage. Drei Tage lang hatte das Löwenjunge nun nichts mehr gefressen. Wie sollte dieses Hungern noch enden? Am vierten Tage versuchten wir aufs neue, ihr Milch durch den neuen Sauger zu geben. Diesmal hatten wir ihn vorher mit Fleisch eingerieben. Ich weiß nicht, ob es nun diesem Umstand zu verdanken war oder ob der Hunger doch zu arg geworden, jedenfalls nahm Kinuli den Sauger an. Unsere Freude sollte nicht lange währen. Bereits am nächsten Tage hatte Kinuli den neuen Sauger auch wieder verschluckt. Doch nun kaufte ich keinen mehr, das sollte ihr letzter Sauger gewesen sein, und Kinuli mußte sich bequemen, von nun an ihre Milch aus ihrem Napf zu lecken.
Frieden
Anfang September kehrten Tolja, Mascha und Wassja aus dem Süden heim. Wir wechselten wieder zurück in unser Zimmer und wollten natürlich auch Kinuli mitnehmen. Doch das sollte uns nicht glücken. Kinuli hatte sich so an Wassjas Zimmer gewöhnt, daß sie es nicht verlassen wollte. Sie kam zwar zu uns herüber und spielte bei uns, verlangte dann aber wieder zurück, kratzte an der Tür und brüllte. So baten wir denn Wassja, Kinuli bei sich zu behalten. Wassja war einverstanden. Er liebte Tiere und hatte nichts gegen das Löwenjunge. Nicht so aber das Löwenjunge! Kinuli konnte nämlich Männer nicht leiden, und da war nun gar ein Mann in ihr Zimmer eingezogen! Das Zimmer betrachtete Kinuli als ihr Reich. Durch sein unverhofftes Zurückkommen störte Wassja ihren Frieden, und deshalb hegte Kinuli einen tiefen Haß gegen ihn. Diesem Gefühl gab sie nun auf eigene Art Ausdruck. Ein jedes Ding, das den Geruch meines Bruders an sich hatte, ärgerte sie.
Gleich am Tage der Ankunft mußte der Koffer dran glauben. Wassja ließ ihn auf dem Fußboden stehen, während er zu uns herüberkam. Bei der Rückkehr in sein Zimmer fand er den Koffer offen und alle Sachen herausgezerrt und herumgestreut. Ein Hemd hatte Kinuli schon zerrissen, das zweite hatte sie gerade in Bearbeitung. Wassja wollte es ihr wegnehmen, doch das gelang ihm nicht. Kinuli knurrte, schlug mit der Tatze nach seiner ausgestreckten Hand und ließ die Krallen heraus, und diese waren bereits groß und respektabel.
In der Nacht ging es nicht besser. Wassja hatte sich niedergelegt, Kinuli umkreiste ihn und zerrte ihm bald die Decke, bald das Kissen herunter. Es war nicht möglich zu schlafen. Wassja schnürte sein Bett zu einem Bündel zusammen und setzte sich darauf. Und so saß er bis zum Morgen. In der nächsten Nacht legte er sich auf den Tisch. Doch auch das half nichts.
Einmal kam ich ins Zimmer und konnte es gar nicht wiedererkennen – überall flogen Daunen und Federn umher. Auf dem Boden liegt das aufgerissene Federbett, in der Ecke hockt Kinuli und zerrt am letzten Kissen. Was tun? Wassja wird außer sich sein, wenn er heimkommt. Schnell hole ich Nadel und Faden und mache mich ans Flicken … Genäht war das Deckbett schnell, aber wie die Federn einsammeln? Ich suche sie zusammen, stopfe sie in das Inlett, und immer wieder fliegen sie heraus. Ich war schon ganz abgekämpft, Kinuli aber rührte das gar nicht: Sie lief hinter mir her, mußte überall ihre Schnauze mit hineinstecken, alles interessierte sie – mir aber war sie nur hinderlich.
Eines Tages reparierte mein Bruder das Radio. Er hatte es auf den Tisch gestellt und war einmal hinausgegangen.
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