Vierbeinige Freunde
den Korridor zu flitzen, versicherte, daß er Kinuli um keinen Preis weggeben würde.
Beim Fortgehen drückte mir der Milizinspektor herzlich die Hand.
„Sie können beruhigt sein, Bürgerin“, sagte er. „Ich bin im Bilde. Man wird Sie nicht mehr belästigen. Und sollte doch etwas vorkommen, dann rufen Sie mich an.“
Er war schon längst hinaus, da standen wir immer noch in der Tür und riefen im Chor hinter ihm her: „Wir danken, Genosse Inspektor! Wir danken Ihnen alle, alle!“
Am folgenden Tage erhielt ich ein Schreiben: „Bezugnehmend auf die endgültige Feststellung, daß die bei Ihnen weilende Löwin nicht gefährlich und überdies augenblicklich krank ist, verfügt das Bezirksgesundheitsamt, in Abänderung der vorher an Sie ergangenen Weisungen betreffs der Überführung der Löwin binnen einer Frist von drei Tagen in den Zoologischen Garten, daß die Löwin nunmehr bis zu ihrer völligen Genesung und bis zum Eintritt günstigerer Temperaturverhältnisse zur Überführung in den Zoologischen Garten bei Ihnen verbleiben darf.“
So siegte die Gerechtigkeit, und Kinuli behielt ihr Wohnrecht in unserer Wohnung.
Der Geburtstag
Früh am Morgen weckte mich die Glocke an der Eingangstür. Ich sprang auf, warf den Morgenrock über und beeilte mich zu öffnen. Wer konnte das sein? Und warum schon so früh?
Die Tür war offen. Vor mir stand der Briefträger, lächelte wohlwollend und reichte mir einen Brief. Auf dem Umschlag war fein säuberlich in Kinderhandschrift geschrieben: „Moskau, Bolschaja Dmitrowka, an KINULI TSCHAPLINA.“ Ich begriff erst nicht. Keine Hausnummer, keine Wohnungsangabe. Und warum Kinuli Tschaplina und nicht direkt an mich? Sonderbar! Da plötzlich durchzuckte es mich: Heute ist ja doch der 20. April. Kinuli ist heute ein Jahr alt, und ihre kleinen Verehrer beeilen sich, ihrem Liebling zu gratulieren. Das alles stimmte mich äußerst fröhlich. Ich lachte, und auch der Briefträger lachte. Beim Fortgehen bat er mich, der Löwin auch in seinem Namen zu gratulieren, und nickte mir noch lange zu, während er die Treppen hinabstieg.
Als ich zu Wassja ins Zimmer gelaufen kam, lag Kinuli noch in tiefem Schlaf. Sie stand zwar sehr früh auf, mit Wassja zusammen, doch wenn dieser fortgegangen war, legte sie sich immer wieder hin. So war es auch heute. Peri kam und schmeichelte, Kinuli aber tat gar nicht dergleichen!
„Kinuli!“ rief ich. „Kinuli, alter Faulpelz! Du hast ja doch heute Geburtstag! Bist ein Jahr alt geworden und liegst hier faul herum!“
Kinuli streckte sich träge und gähnte. ‚Soll ich aufstehen, oder nicht?‘ schienen ihre schlaftrunkenen, halboffenen Augen zu fragen. Da aber kam Peri wieder auf mich zu, und im Nu war Kinuli auf den Beinen. Es paßte ihr nicht, wenn jemand anderes als sie gestreichelt wurde. Eifersüchtig schob sie den Hund beiseite und rieb sich an meinen Beinen.
Dieser Tag brachte viel Plackerei mit sich. Als erstes mußten Lebensmittel besorgt werden, um für Kinuli ein Mittagessen, bestehend aus ihren Lieblingsspeisen, bereiten zu können. Dann aber kam die Hauptsache. Ein Fußball mußte gekauft werden. Auf die Idee, Kinuli einen Fußball zu schenken, war Tolja gekommen. Er sparte schon seit langem für dieses Geschenk. Und jetzt, in allerletzter Stunde, war kein Fußball in den Geschäften aufzutreiben, und es hieß nun weiter herumfahren und einen suchen.
Bis zum Abend war dann doch noch alles erledigt. Der Tisch war gedeckt, Mascha briet die letzten Koteletts, und auf dem Diwan lagen Kinulis Geschenke. Unter anderem waren da ein neuer Freßnapf, ein Auto zum Aufziehen und drei große, prall aufgepumpte Bälle – einer von Tolja, die beiden anderen waren mit Glückwünschen von unbekannten Leuten geschickt worden.
Bald kamen auch die Gäste.
Kinuli speiste heute mit uns zusammen. Sie saß auf dem Sofa und leckte vorsichtig ihre Nudelsuppe aus dem neuen Napf. Der Napf stand auf dem Tisch. Kinuli fraß so ordentlich, daß nicht ein einziger Fleck auf das weiße Tischtuch kam. Als der Napf leer war, hob Kinuli vorsichtig die Pfote und klopfte auf den Tisch, sie verlangte mehr. Sie bekam aber nicht ein zweites Mal Suppe, denn Mascha hatte heute noch Koteletts für sie und einen großen Eierkuchen. Nach dem Essen lasen wir Kinuli die eingegangenen Briefe vor. Fast alle stammten von Kindern und fingen folgendermaßen an: „Liebe Kinuli, wir lieben Dich sehr und gratulieren Dir zu Deinem Geburtstag …“
Zuerst hörte Kinuli
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