Vierbeinige Freunde
und seine Festigkeit geprüft werden. Ich hatte kaum das eigens zur Überführung angefertigte Halsband zur Hand genommen, als Kinuli knurrte, es mir mit der Pfote aus der Hand schlug und von mir wegsprang. Das Halsband war stark geteert, und der ungewohnte Geruch wird die Löwin wohl scheu gemacht haben. Was probierten wir nicht alles aus! Wir rieben den Riemen mit Fleisch und mit Butter ein – nichts half. Wir taten das Halsband Peri um, doch als diese sich damit Kinuli nähern wollte, ließ Kinuli sie nicht an sich heran. Ich war gezwungen, mir eiligst aus der Apotheke breite Bandagen zu besorgen und aus ihnen, fünffach zusammengefaltet, eine Schlaufe zu nähen. Diese Schlaufe ließ Kinuli sich ohne weiteres umlegen.
Um zehn Uhr kam der Wagen. Der Fahrer hielt im Hofe, und wir führten Kinuli hinunter. Arme Katze! Sie war so aufgeregt, daß sie gar nicht beachtete, daß wir ihr außer der Schlaufe auch noch das Halsband umtaten. Wir führten sie zu dritt – Wassja, Schura und ich. Vor uns ging Tolja mit Peri. Kinuli wäre ja nicht mitgekommen, wenn einer von uns daheim geblieben wäre.
Erst lief sie willig mit. Wir traten aus der Wohnung und gingen die Treppen hinunter, da scheute sie plötzlich und machte kehrt. Der Riemen hielt das Zerren nicht aus und riß, die große gelbe Löwin rannte wie ein verschüchtertes Kätzchen wieder heim. Die Tür aus den Angeln reißen und sie öffnen war für Kinuli das Werk eines Augenblicks, und bis wir oben ankamen, lag sie schon im Zimmer unter dem Tisch.
Mit vieler Mühe gelang es mir endlich, sie in den Hof und in das Auto zu locken. Wassja, Schura und ich, Tolja und Peri – alle hatten wir uns in den Wagen gezwängt und lockten von dort aus die Löwin. Lange umkreiste Kinuli das Auto und miaute kläglich, bis sie sich endlich entschloß hereinzukommen. Als sie dann endlich drin war, suchte sie sich sofort einen Platz auf dem Rücksitz. Mit den Hinterpfoten drückte sie Wassja in den Winkel, die Vorderpfoten streckte sie auf meinen Schoß und lag nun den ganzen Weg über ruhig da.
Im Zoo erwartete Kinuli die sonnenüberglänzte Plattform ihres Auslaufs mit einigen frühen Besuchern davor, die von Kinulis Übersiedlung durch die Zeitungen erfahren hatten. Die neue Umgebung brachte Kinuli aus dem Gleichgewicht. Sie drückte sich an die Erde, steckte ihren großen Kopf unter Peri und zitterte am ganzen Leibe.
Diese Nacht blieb ich bei Kinuli im Käfig. Kinuli lief bald unruhig im Käfig umher und versuchte, mit der Pfote die Tür zu öffnen, bald spitzte sie die Ohren und lauschte angestrengt den unbekannten Tönen des nächtlichen Zoo. So verstrich die Nacht … und es kam der Morgen.
Ich ging nach Hause. Kinuli stürzte mir nach, schlug lange mit dem Kopf gegen die Gitterstäbe, bis sie endlich begriffen hatte, daß ein Entkommen unmöglich war. Da sank sie in sich zusammen und legte sich hin.
Lange lag sie so auf einer Stelle. Sie fraß auch nicht. Sie blickte mit nichtssehenden Augen über das Gitter hinweg, über Bäume, Häuser und Zäune, irgendwohin in die Ferne. Die immer so lebendigen, ausdrucksvollen Augen waren jetzt trübe und schienen eher einem toten als einem lebenden Tier anzugehören. Diese stumpfe Gleichgültigkeit im Blick erschreckte mich über die Maßen. Es hatte den Anschein, als erkenne sie auch mich nicht mehr. Nach langem Zureden nahm sie mir, wie mechanisch, dann und wann ein Stückchen Fleisch aus der Hand, schluckte es wohl auch einmal hinunter, meist aber blieb es ihr zwischen den Eckzähnen hängen und fiel dann zur Erde, ohne daß Kinuli auch nur den Kopf danach gewandt hätte.
Am zehnten Tage erhob sie sich. Mit Mühe nur bewegte sie sich auf den schwachen Tatzen vorwärts. Doch zeigte sie einiges Interesse an den Tieren und Menschen, die sie umgaben. Unsere ganze Familie besuchte sie tagtäglich. Kinuli freute sich wie noch nie über Wassjas, Schuras und Toljas Besuch, rieb sich an ihren Füßen und schmeichelte.
Ganz früh am Morgen, wenn der Zoo noch geschlossen war, führte ich Kinuli aus, und zwar ohne Halsband. Seit der Überführung in den Zoo duldete Kinuli kein Halsband mehr. Und so führte ich sie ohne Leine aus. Sie ging neben mir her wie ein großer braver Hund. Wie staunten aber alle die Tiere, die sie zu sehen bekamen! Gespannt, zur Flucht bereit, folgten ihr die Hirsche mit erschrockenen Blicken; über Steine setzend, verschwand eine Herde Wisente hinter einem Hügel, während der junge Elefant zum Angriff auf sie
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