Vierbeinige Freunde
Haus verließ.
Doch auch das half nichts.
Alle Bekannten, die mir begegneten, alle Mitarbeiter erachteten es als ihre Pflicht, mich über das Vorgefallene auszufragen. Das ging so lange, bis ich vor jedem einzelnen die Flucht ergriff.
Ich kann mich noch gut entsinnen, es war ein verrückter Tag. Abgehetzt, hungrig und heiser kam ich abends nach Hause und freute mich aufs Ausruhen.
Es war mir aber nicht beschieden, zu Hause Ruhe zu finden. Unser Zimmer glich einer Art Durchgangsmuseum. Die Tür stand offen, Kinuli war an die Kette gelegt. Wassja und Schura waren dabei, irgendwelche Erklärungen abzugeben, während sich eine Menge fremder Menschen um sie herumdrückte, mit „Ach!“ und „Oh!“ Kinuli und den Schrank einer Besichtigung unterzog und auch mich noch zu sehen verlangte.
Da schlich ich leise, ohne erst die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, aus dem Hause und fuhr zu einer Freundin in deren Sommerhaus hinaus.
Ich wünschte, der Dieb hätte unsere ganze Wohnung ausgeraubt und alle meine Sachen weggeschleppt, wenn mir dadurch nur diese Quälereien erspart geblieben wären, denen ich jetzt ausgesetzt war. Dabei waren die Quälereien noch lange nicht zu Ende. In der Zeitung war ja doch nicht nur mein Name zu lesen, sondern auch meine genaue Anschrift.
Ich erhielt eine Flut von Briefen, immer neue Besucher stellten sich ein. Vom Morgen bis zum Abend öffnete Mascha die Tür und führte ihnen Kinuli vor. Am Tage ging es ja noch, abends aber blieb einem weder zum Essen noch zum Arbeiten, noch zum Ruhen Zeit. Man konnte nur immer die Tür auf— und zumachen. Mascha wurde es sogar müde, sich zu ärgern; ohne zu murren, führte sie einen jeden zu Kinuli. Ja, es kam so weit, daß sie die Tür öffnete und, ohne sich auch nur anzuhören, zu wem oder warum der Besucher kam, ihn gleich zu Kinuli brachte. So hatte sie einmal auch irrtümlich eine alte Frau in das Löwenzimmer geleitet. Das Tier sehen und in Ohnmacht fallen, war für die Alte eins – wir mußten auch noch die „Erste Hilfe im Hause“ alarmieren.
Mit einem Wort, wir konnten vor lauter Besuchern gar nicht mehr leben. Kinuli selbst war es, die uns hier erlöste. Sie hatte die Angewohnheit, die Füße jedes Eintretenden zu beschnuppern. Später ging sie dazu über, die Füße mit den Pfoten zu umfassen und sie vorsichtig mit den Zähnen zu befühlen. Diese Zähne aber waren riesengroß und schreckerregend, wie hätte ein Fremder wissen können, ob Kinuli nicht doch noch zubeißen würde? So trat denn der Ärmste von einem Bein aufs andere und machte schließlich, daß er wieder hinauskam. Es war immerhin ein Raubtier, ein Löwe, der konnte einen Menschen ja auch zerfleischen! Und so fanden sich nach und nach immer weniger Liebhaber, die noch Lust hatten, unter solchen Umständen den Löwen zu besichtigen.
Die Schnurrhaare des Löwen
Man sagt, daß die Schnurrhaare eines Löwen Glück bringen. Auf jeden Fall berichten viele Afrikaforscher davon. Es heißt da, daß die Eingeborenen, wenn sie einen Löwen getötet haben, ihm die Schnurrhaare abschneiden und sie als Talisman auf der Brust tragen. Ein solcher Talisman verleiht dem Träger den Mut eines Löwen, Unbesiegbarkeit im Kampfe und schützt ihn vor allem Ungemach. Ich weiß nicht, ob dem wirklich so ist … Ich weiß nur, daß viele unserer Bekannten mit Kinulis Schnurrhaaren liebäugelten und davon träumten, sie zu erwerben. Kein Wunder auch! Erschien doch die Möglichkeit, tapfer zu werden, so nah, so wahrscheinlich …
Eine unserer Mieterinnen bekam Besuch. Und wie das bei uns so üblich war, bot sie ihrem Besuch an, sich den Junglöwen einmal anzusehen. Der Besuch konnte sich nicht entschließen, das Zimmer zu betreten, er öffnete die Tür nur einen Spalt. Unter dem Tisch lag die Löwin, die schon beträchtlich größer war als ein Hund.
„O-oh!“ meinte der Gast gedehnt. „Ich glaubte, er sei viel größer. Vor dem braucht man ja gar keine Angst zu haben.“ Mißtrauisch die aufstehende Kinuli betrachtend, erzählte er weiter: „Wissen Sie, ich machte einmal eine Reise nach dem Norden, da hatte ich eine interessante Begegnung mit einem Bären …“
Es war uns nicht beschieden, Näheres über diese „Begegnung“ zu hören. Kinuli hatte sich erhoben, und der Gast hatte es plötzlich eilig, sich zu entfernen; er versprach zwar wiederzukommen, doch habe ich ihn nie wieder gesehen.
Ein andermal gehe ich gerade an Wassjas Tür vorbei, und da höre ich einen Ton, halb Schreien,
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