Vierbeinige Freunde
übergehen wollte; dann, als hätte ihn sein eigener Mut erschreckt, versteckte er sich hinter seinem Häuschen. Kinuli jedoch schritt an allen vorbei, als sähe und höre sie keinen.
An Kinulis Käfig drängte sich stets eine Menschenmenge. Was konnte man da nicht für Gespräche hören! Alle wollten doch das Raubtier sehen, das zwischen Menschen in einer Wohnung aufgewachsen war. Viele kamen sogar aus anderen Städten angereist, um Kinuli zu sehen.
Einmal wurde ich gefragt, ob wohl Kinulis Herrin heute kommen würde. Ich machte gerade Ordnung im Käfig und wollte mich nicht zu erkennen geben, aus Scheu vor all den Fragen und dem Erzählenmüssen. Ich sagte, daß sie wohl später kommen würde, und begehrte nun meinerseits zu wissen, was die Besucher von ihr wollten.
„Ja, wissen Sie, es ist doch interessant, einmal zu sehen, wie sie wohl ist“, meinte eine Frau, die dicht an der Brüstung stand. „Ich, zum Beispiel, bin von Charkow nur deswegen hierhergekommen!“
„Was soll schon Interessantes an ihr sein? Sie ist ein Mensch wie ich auch.“
„O nein!“ meinte dieselbe Besucherin. „Sie sind doch ein Mensch wie alle anderen auch, die Tschaplina aber ist es nicht. Es hält sich doch nicht jeder einen Löwen in der Wohnung!“
Sie wollte noch etwas sagen, wurde aber von einem zur Unzeit erschienenen Reporter unterbrochen.
„Genossin Tschaplina, ich komme zu Ihnen!“ rief er schon von weitem und machte allen meine List offenbar.
Kaum war ich hinausgetreten, als mich die Menschenmenge auch schon umringte. Von allen Seiten bestürmten sie mich mit Fragen, mit „Ach!“ und „Oh!“, und die Frau aus Charkow, die erzählt hatte, daß sie nur gekommen sei, um sich Kinuli und deren Herrin anzusehen, versicherte mir, daß ich ihr gleich als außergewöhnlich aufgefallen sei. Einige Besucher brachten es fertig, stundenlang geduldig zu warten, bis die Löwin aus ihrem Häuschen auftauchte. Andere erschienen täglich und verfolgten ihren Gesundheitszustand. Als Kinuli krank lag, wußte ich, daß es viele gab, die gemeinsam mit mir um ihr Leben bangten.
Niemals werde ich vergessen, wie eines Morgens, kaum daß der Zoo geöffnet war, drei Mädchen zu Kinulis Käfig gelaufen kamen. Die erste von ihnen fragte, noch ganz außer Atem vom schnellen Lauf: „Wie geht es Kinuli?“
Und als ich ihr Bescheid gegeben, daß es besser gehe, wandte sie sich zu den anderen und rief ihnen fröhlich entgegen:
„Kinuli geht es besser!“
Sie hatten Kinuli krank gesehen und machten sich solche Sorge um sie, daß sie noch schnell vor Schulanfang nach ihr sehen mußten.
Es gab auch welche, die sich sehr dafür interessierten, wann Kinuli mich oder wenigstens Peri auffressen werde. Wenn ich nicht da war, fragten sie den Wärter, ob etwas passiert sei. Manchmal fragten sie mich auch direkt, ob ich denn nicht Angst hätte, Kinuli könne mich zerfleischen. Ich antwortete ihnen, daß Kinuli, wenn sie das täte, selbst gleich darauf vor Kummer eingehen würde.
Obwohl Kinuli jetzt im Käfig lebte, hatte sich ihr Benehmen uns gegenüber in der Tat nicht im geringsten geändert. Sie war genauso zahm und zärtlich wie früher. Genauso wie früher legte sie sich aufs Wort und ließ sich kämmen und bürsten. Ich hob sie an den Pfoten hoch und drehte sie von einer Seite auf die andere, ja, ich konnte sie ungestraft am Schwanze ziehen. Kinuli nahm alles von mir hin, wenn ich dadurch nur länger bei ihr blieb. Wenn sie einmal wirklich nicht folgte, brauchte ich bloß so zu tun, als ginge ich fort. Sofort sprang Kinuli mir nach, griff mit den Pfoten nach mir und ließ mich nicht von der Stelle. Kinuli hatte lange, scharfe Krallen, doch kam es nie vor, daß sie einen damit verletzte.
Behutsam klaubte mir Kinuli Fleischstückchen, die ich ihr hinreichte, aus den Fingern, und wenn ich dann fortging, blickte sie mir erst lange nach, dann aber hob sie den Kopf, und ihrem Rachen entstieg bereits ein regelrechtes Löwengebrüll.
Der Sommer war vergangen, es war Winter und kalt. Kinuli war jetzt schon eine richtige ausgewachsene Löwin und hatte ihren Platz neben den anderen Löwen.
Vor ihrem Käfig drängten sich ständig Besucher.
Alle wunderten sich, daß eine so große Löwin mit einer Hündin zusammen war.
Kinuli und Peri lebten wirklich in großer Freundschaft miteinander. Wenn Kinuli Fleisch bekam, so ließ sie unbedingt einen Teil ihrer Portion für Peri liegen und wachte dann darüber, daß Peri in Ruhe fressen konnte; sie
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