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Vierbeinige Freunde

Vierbeinige Freunde

Titel: Vierbeinige Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wera Tschaplina
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geradezu an sich heran. Er legte seinen Rüssel auf die Brüstung und bewegte ihn ganz langsam. Der Elefantenrüssel sah aus wie eine Schlange. Bald wand er sich hin und her, bald zog er sich langsam in die Länge, bis er dann plötzlich regungslos über der Brüstung hängenblieb. Der verschlafen-gutmütige Gesichtsausdruck Schangos und der regungslose Rüssel auf der Brüstung zogen die Besucher an. Sie ließen jegliche Vorsicht außer acht, kamen dicht an die Brüstung heran, befühlten den Rüssel und nahmen ihn wohl auch in die Hand. Der Elefant schien das gar nicht zu bemerken. Kaum aber war so ein Unvorsichtiger nahe genug herangekommen, als Schango auch schon den Rüssel um den Kopf des zutraulichen Menschen schlang, ihm geschickt die Kopfbedeckung herunterriß und sie im gleichen Augenblick verschlang. Es war eine regelrechte Hutjagd. An manchen Tagen verspeiste Schango auf diese Weise eine ganze Anzahl von Hüten.
    Am meisten gefielen Schango bunte Damenhüte. Einmal hatte er auf dem Kopf einer älteren Dame einen auffallenden Hut mit breiter Krempe und einer großen, grellen Blume entdeckt. Schango hatte den Hut gleich ins Auge gefaßt und war sofort auf die Seite der Dame hinübergegangen, um sie näher an die Barriere heranzulocken.

    Wie ein dienstbeflissener Verkäufer seine Ware vor dem Käufer ausbreitet, so legte der schlaue Elefant seinen Rüssel vor der nichtsahnenden Dame aus. Besucher, die sich zufällig zwischen ihn und sein Opfer stellten, vertrieb er, indem er ihnen ins Gesicht blies und sie dadurch veranlaßte, beiseite zu treten. Daß der Elefant der Dame eine besondere Sympathie entgegenbrachte, war so offensichtlich, daß es von allen bemerkt wurde. Die Dame, die sich geschmeichelt fühlte, trat nun mit den Worten: „Was für ein lieber Elefant!“ ganz nah an die Barriere und streckte Schango ihre Hand entgegen. Der „liebe Elefant“ aber hatte ja nur darauf gewartet: Er riß der Bevorzugten den Hut vom Kopf und führte ihn ohne weiteres zum Maul. Umsonst schrie die Dame und warf mit Steinchen nach Schango – es half alles nichts, der Hut mit der breiten Krempe und der schönen Blume war im Rachen des Elefanten verschwunden. Schango hatte ihn verzehrt, ohne auch nur eine Spur davon zu hinterlassen. Nach diesem Vorfall war man gezwungen, weitere Aufpasser in Schangos Bereich aufzustellen.
    Wieder allein
    Schango sonnte sich wie gewöhnlich, als der Rundfunk die Nachricht vom Kriegsausbruch brachte. Auch der Elefant wird wahrscheinlich gemerkt haben, daß sich von diesem Tage an vieles änderte.
    Als erstes wird ihm wohl aufgefallen sein, daß im Zoologischen Garten kaum noch Besucher zu sehen waren. Die bekannten Wärter waren verschwunden und durch Frauen ersetzt. Auf dem ganzen Gelände des Gartens wurden Gräben ausgeworfen.
    Dann kamen die Alarme.
    Den gewohnten Lärm der Großstadt durchschnitt plötzlich der durchdringende, heulende Sirenenton. Er schwoll immer stärker und stärker an, bis alles weit und breit erstarb, und riß dann ebenso unerwartet wieder ab. Schango hatte bis dahin noch kein Sirenengeheul gehört. Dieser Ton war so ganz anders als das übliche Heulen der Tiere oder der herkömmliche Straßenlärm. Und irgendwie erweckte dieser Ton eine gewisse Unruhe. Alles schien von diesem Heulen abzuhängen; daß man die Tiere mehrmals am Tage ins Haus trieb und an manchen Tagen überhaupt nicht hinaus auf den Hügel ließ.
    Einmal waren die Elefanten zur Nacht nicht hineingetrieben worden. Da erschütterten kurz nach dem Sirenengeheul dumpfe Explosionsschläge den Boden. Die Elefanten drängten sich an der Wand des Elefantenhauses zu einem Haufen zusammen. Da sauste etwas pfeifend durch die Luft und fiel unweit von ihnen auf der Plattform nieder. Es war eine Brandbombe. Sie zischte und streute Flammenspritzer um sich, brennende Rinnsale schlängelten sich nach allen Seiten und drohten, das Haus in Brand zu setzen.
    Schango wußte, was Feuer war. Schon im Tiergarten hatte er gelernt, daß man es nicht berühren durfte, aber auch nicht zu fürchten brauchte. Hier aber spürte er in dem kleinen brennenden Gegenstand einen Feind, gegen den man sich zur Wehr setzen mußte und den man dennoch nicht anfassen durfte.
    Der Elefant suchte mit seinem Rüssel nach einem Stein, um ihn nach dem brennenden Gegenstand zu schleudern, doch kein Stein war zu finden. Da scharrte Schango mit seinem Rüssel Sand zusammen und warf diesen auf die Brandbombe. Das Feuer schien sich zu verringern.

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