Vierbeinige Freunde
unsere Begegnung im Bilde festzuhalten. Nun war aber Kinulis Geduld am Ende. Ich hatte die Tür kaum einen Spalt weit geöffnet, als Kinuli auch bereits angestürzt kam und halb zur Türe hinaus war! Ich packte sie am Kragen und zerrte sie mit vieler Mühe zurück in den Käfig. Wie später erzählt wurde, waren im Augenblick alle Reporter und die Sensationslüsternen wie vom Regen hin weggespült. Lediglich die Zootechniker und die Wärter waren an ihren Plätzen geblieben. Und diese waren auch die einzigen Zeugen der Schmeicheleien Kinulis. Dennoch erschien eine Aufnahme unseres Wiedersehens in der Presse.
Von nun an hegte niemand mehr Zweifel an Kinulis Liebe und Anhänglichkeit für mich, und es stand jetzt fest, daß Kinuli mich niemals vergessen würde.
SCHANGO
Die ersten Tage
Schango ist der größte Elefant des Zoologischen Gartens. Bei seinem Anblick rufen die kleinen Kinder: „Sieh doch, Mama, was für ein Berg!“ Und er sieht auch wirklich aus wie ein Berg, so groß, schwer und grau, wie er ist.
Er ist aus irgendeinem Tiergarten zu uns gebracht worden. Es hieß, daß er sehr bösartig und gefährlich sei und daß man ihn aus diesem Grunde dem Zoo übergeben habe.
Schango hatte die Reise auf einem großen, offenen Güterwagen gemacht. Man hatte den Wagen rings mit Brettern eingefaßt und mit einer Tür und einem Dach versehen. Auf diese Weise war ein richtiges Haus auf Rädern entstanden. In diesem Hause sollte Schango seine Reise machen. Er stand an den Boden des Wagens angeschmiedet, und mit ihm zusammen reiste das ihn betreuende Personal. Die Wärter beobachteten jede Bewegung des Elefanten, das hinderte diesen aber nicht, den ganzen Aufbau des Wagens noch vor der Ankunft in Moskau auseinanderzuklauben und von der Plattform herabzuschleudern.
In Moskau aber benahm er sich auffallend ruhig. Den ganzen Weg bis zum Zoo folgte er gehorsam seinem Führer und begab sich auch ebenso gehorsam in den für ihn bestimmten Raum hinein.
Als ich am Morgen kam, um mir Schango anzusehen, stand er bereits, an allen vier Beinen angeschmiedet, im Elefantenhaus. Er hob bald das eine, bald das andere Bein und prüfte mit dem Rüssel die Ketten. Diese Ketten waren dick und schwer, mit Mühe nur konnten zwei Mann sie hochheben, für diesen Riesen aber schienen sie ganz leicht zu sein.
Man hatte Schango getrennt von den anderen Elefanten untergebracht, denn man mußte ihn erst kennenlernen, seinen Charakter erforschen.
Die erste Zeit benahm sich der Elefant ganz ruhig, so ruhig, daß keiner mehr an seine Bösartigkeit und an die Erzählungen von seinem unbändigen Charakter glauben wollte. Auf ein bloßes Zeichen hin setzte sich der Elefant den Wärter auf den Kopf und stellte ihn dann auch ebenso vorsichtig wieder auf den Boden. Wenn man ihm befahl, sich zu legen, tat er dies sofort, ungeachtet dessen, daß es für ihn sehr schwierig war, in dem engen Raum, noch dazu mit Ketten festgeschmiedet, diesem Befehl nachzukommen.
Zur Belohnung für dieses mustergültige Betragen beschloß man, Schango zu den übrigen Elefanten hinauszulassen.
In Freiheit
Außer Schango lebten noch vier Elefanten im Zoo: Nona, Dschindau, Manka und Mirsa. Die größte von ihnen war die afrikanische Elefantin Nona, die kleinste war Mirsa. Mirsa war noch ein Elefantenkind – eigensinnig und verzogen. Um sie waren die Mitarbeiter des Zoo am meisten besorgt. Wer konnte wissen, wie Schango sich dieser Kleinen gegenüber verhalten würde. Wenn er sie nun schlug und verstümmelte? Man mußte es aber dennoch darauf ankommen lassen, denn es war ja ein Ding der Unmöglichkeit, einen so großen Elefanten sein Leben lang angeschmiedet im Elefantenhaus zu halten.
Als man Schango die Ketten von den Beinen genommen und die Türen seines Hauses geöffnet hatte, schien er gar nicht zu begreifen, was man eigentlich von ihm verlangte. Er verharrte auf seinem Platz und trat nach der langjährigen Gewohnheit eines angeschmiedeten Elefanten nur immerzu von einem Bein auf das andere. Ja, er war offensichtlich beunruhigt, weil er das Klirren der Ketten nicht mehr hörte. Er berührte sie mit dem Rüssel, hob sie auf und legte sie wieder nieder; dann machte er ein paar unsichere Schritte zur Tür hin und blieb abermals stehen. Eine Weile stand er so regungslos da, dann aber trat er, mit dem Rüssel noch eine Kette ergreifend, mit langen, sicheren Schritten hinaus auf die Plattform.
Beim Anblick Schangos drängten sich die übrigen Elefanten in einem Haufen
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