Vierbeinige Freunde
unsäglicher Mühe gelang es mir endlich, sie am Kragen zu packen und zu Boden zu drücken. Ich zog schnell einen zweiten Riemen heraus und schnallte ihr diesen um Maul und Pfoten. Jetzt lag sie völlig hilflos da, in ihren Augen aber glühte eine solche Wut, daß ich mich unwillkürlich abwandte. Und dennoch, trotz allem, fand ich ein ausgesprochenes Gefallen an dem Wolfszögling.
Zusammen mit dem Zootechniker trug ich Kuska aus dem Käfig, legte sie ins Auto und fuhr los. Ich wohnte damals in einem kleinen Häuschen auf dem Gelände des Zoologischen Gartens. Unweit des Häuschens, an einem großen Baum, hatte ich eine Hundehütte aufstellen lassen. Ich legte Kuska ein breites, festes Halsband um, schloß dieses an eine lange Kette, löste dann ihre Fesseln und trat zur Seite.
Von den Riemen befreit, lag Kuska eine Weile noch regungslos da, dann sprang sie plötzlich auf und stürzte mit solcher Wut seitwärts, daß die Kette sie zurückschleuderte. Wieder sprang sie hoch und zerrte kreischend an der Kette, schließlich aber gab sie es auf, verkroch sich in der Hundehütte und kam den ganzen Tag nicht wieder zum Vorschein. Diesen ganzen Tag über fraß sie nichts. Nachts hörte man sie wieder zerren und kreischen und dann lange nach Wolfsart heulen. Als ich am Morgen aus dem Häuschen trat, verkroch sich Kuska wieder in der Hütte. Ihr Futter stand unberührt, und der blutige Schaum an der Kette zeugte von den vergeblichen Versuchen, die Kette zu durchnagen.
Das reißende Tier wird zum Hund
Lange konnte sich Kuska nicht an mich gewöhnen.
Ganze Tage lag sie in ihrer Hütte und rührte in unserer Gegenwart kein Futter an. Sie fraß erst, wenn wir sie allein ließen. Indem sie sich vorsichtig umschaute, näherte sie sich dem Napf, fraß ihn leer und zog sich wieder auf ihren Platz zurück. Nachts heulte sie immer, man hörte sie nie bellen. Damit sie niemanden beißen konnte, verbot ich allen, in erster Linie den Kindern, sich ihr zu nähern. Mich interessierte es vor allem, wann in diesem Wolfszögling der Hund zum Vorschein kommen würde. Lange mußte ich warten – aber ich habe es dennoch erlebt. Es fing damit an, daß Kuska mein Fortgehen nicht mehr gleichgültig war. Sowie sie merkte, daß ich mich zum Fortgehen fertigmachte, kam sie halb zur Hundehütte heraus und spitzte die Ohren. War ich dann gegangen, kam sie ganz heraus und sah mir lange nach. Manchmal versteckte ich mich hinter der Hausecke, blieb ein Weilchen dort stehen und kam dann unerwartet wieder hervor. Kuska zog verwirrt den Schwanz ein und wich langsam zur Seite. Dafür beachtete sie meine beiden Kinder, Tolja und Ljuda, gar nicht und schien sie von anderen Kindern nicht zu unterscheiden. Doch das schien wirklich nur so, denn eines Tages bewies sie das Gegenteil.
An unserem Hause gingen einmal einige Jungen vorbei. Der eine von ihnen trug einen Ball. Aus Übermut schlug ihm ein zweiter diesen aus der Hand. Der Ball flog zur Seite und gerade zu Kuska in die Hundehütte. Die Jungen versuchten, den Ball mit einem Stock herauszuholen, Kuska riß ihnen den Stock aber mit einer solchen Wut aus den Händen, daß ihnen die Lust zu weiteren Versuchen verging. Nun wandten sie sich an mich und baten, ihnen doch den Ball herauszuholen. Ich hätte das gut tun können, ich brauchte ja nur den Hund an der Kette herauszuziehen. Doch ich wollte das Zutrauen, das Kuska mir entgegenzubringen begann, nicht enttäuschen. Ich überredete daher die Jungen, am nächsten Tage wiederzukommen, und wandte mich zum Gehen. Da sah ich plötzlich Ljuda auf Kuska zugehen. Ich wollte sie zurückrufen, wollte ihr beispringen, doch war es bereits zu spät. Ljudotschka hatte sich schon nach dem Ball gebückt, und das schlanke Hälschen des fünfjährigen Kindes befand sich in gleicher Höhe mit der Schnauze des noch ungezähmten, wilden Hundes. Ich stand wie hypnotisiert und wagte nicht, mich zu bewegen. Der geringste Lärm, die kleinste Bewegung von mir konnten das Tier veranlassen, Ljudotschka anzufallen … Jetzt streckte das Kind die Händchen nach dem Ball aus … Kuska rückte ein ganz klein wenig zur Seite … jetzt ergriff Ljuda den Ball … sie hatte ihn … ging zurück … war weg von dem Hund … Ich riß das Kind in meine Arme und küßte, küßte und küßte es! Aber auch Kuska wollte ich irgend etwas Gutes antun, dafür, daß sie meinem Kind nichts getan hatte. Ich lief ins Haus, holte das Fleisch direkt aus der Suppe und wollte Kuska damit aus meiner Hand
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