Vierbeinige Freunde
füttern. Doch sie ließ mich nicht an sich heran. Sie fletschte die Zähne und knurrte warnend. Ich legte das Fleisch hin und trat zurück.
Von dem Tage an verbot ich den Kindern nicht mehr, zu Kuska zu gehen, nur bat ich sie, dem Hund nicht zu nahe zu kommen. Doch Tolja und Ljuda beachteten meine Bitte kaum, sie machten von meiner Erlaubnis schrankenlosen Gebrauch. In Kuskas unmittelbarer Nähe war der Lieblingsplatz ihrer Spiele. Ljuda buk dort allerlei Kuchen aus Sand, baute Häuserchen und Türmchen. Kuska nahm lebhaften Anteil an all diesen Dingen. Sie kam aus ihrer Hütte heraus, setzte sich etwas abseits und beobachtete aufmerksam die Kinder.
Sie kannte jetzt schon unsere ganze Familie. Mit jedem Tage erlaubte sie mir, näher an sie heranzukommen. Manchmal machte sie sogar Miene, zu mir zu laufen, doch war ihr die Kette dabei im Wege. Das geringste Zerren daran erschreckte sie genauso wie früher. Diese Beobachtung ließ in mir den Entschluß reifen, Kuska von der Kette zu lassen. Von allen Seiten wurde mir abgeraten – der Hund würde bestimmt davonlaufen. Doch eine innere Gewißheit sagte mir das Gegenteil. Ich nahm ein scharfes Messer, band es an einen Stock und durchschnitt damit vorsichtig Kuskas Halsband. Schwer fiel es samt der Kette zu Boden.
Kuska war frei. Sie konnte fortlaufen. Fortlaufen, wohin sie nur wollte, ganz fort – denn nichts hielt sie mehr zurück … Doch Kuska lief nicht fort. Weder an diesem noch an irgendeinem der folgenden Tage. Es war etwas da, was sie zurückhielt, und dieses „Etwas“ war stärker als die Kette.
Jeden Morgen, wenn ich zur Arbeit ging, begleitete sie mich bis zum Ausgang des neuen Gebietes. Jeden Abend kam sie mir dahin entgegengelaufen.
Sie schlief nicht mehr in der Hundehütte. Sie hatte sich unter der Freitreppe eine tiefe Höhle gegraben und übernachtete darin. Sie heulte nicht mehr so viel, und bald hörten wir sie auch das erste Mal bellen. Das war in der Nacht.
Kuska liebte es, des Nachts auf dem Brachgelände des Zoo herumzustreunen. Dabei stieß sie eines Nachts auf den Wächter. Mit ihrem eingezogenen Schwanz, der spitzen Schnauze und den stehenden Ohren, durch ihr ganzes Benehmen erinnerte Kuska an einen Wolf. Genau wie ein Wolf verschwand sie auch mit lautlosen Schritten in der Dunkelheit, sowie sie des Mannes ansichtig wurde.
Der Wächter glaubte nichts anderes, als daß es ein Wolf sei, und ging ihr nach. Kuska lief feige vor ihrem Verfolger her, bis sie vor unserem Hause angekommen waren. Der Wächter sah Licht und trat ans Fenster, und da … da handelte Kuska gar nicht nach Wolfsart. Ganz unerwartet wandte sie sich um und fiel den Mann an. Und eben bei dieser Gelegenheit hörten wir zum ersten Mal ihr Bellen – ein kurzes, abgerissenes, vom Zusammenschlagen der Zähne unterbrochenes Bellen. Erst wollte ich meinen Ohren nicht trauen, als sich aber Hilferufe in das Bellen mischten, sprang ich eilends hinaus.
Armer Wächter! Er hatte Mühe, sich Kuska vom Leibe zu halten. Sie wand sich, in dem Bestreben, ihm an die Beine zu fahren, wie ein Aal um ihn herum.
Ich befürchtete, daß es schwerfallen würde, sie von dem Manne wegzutreiben, doch das war durchaus nicht der Fall. Ich hatte sie kaum angerufen, als sie auch schon ihre Angriffe einstellte. Sie ließ gehorsam von dem Wächter ab, und er konnte sich ungestört entfernen.
Kuska interessierte sich merklich für unser Leben. Wenn wir die Tür offenließen, kam sie herbei, setzte sich an die Schwelle und verfolgte lange und aufmerksam unser Tun. Abends, wenn die Tür geschlossen war, stellte sie sich mit den Vorderpfoten auf den Fenstersims und überschaute so das erleuchtete Zimmer.
Streicheln allerdings ließ sie sich erst viel, viel später. Das kam, nachdem ich einige Tage nicht zu Hause gewesen war. Ich hatte mich absichtlich vom Hause ferngehalten, um zu erfahren, wie Kuska meine Abwesenheit aufnehmen würde. Darüber, was sie tat und wie sie sich benahm, berichtete mir Tolja. Er erzählte, daß Kuska genau zur Stunde meines täglichen Heimkommens ans Tor laufe und lange auf die Straße hinausschaue, um mich zwischen den Passanten herauszufinden, daß sie sich nach mir sehne und schlecht fräße. Ich kehrte tagsüber heim, als Kuska mich gar nicht erwartet hatte. Sie lag beim Hause. Kaum aber hatte sie mich gesehen, als sie mir auch schon entgegenstürzte. Ich streckte ihr die Hand entgegen, und Kuska sprang diesmal nicht, wie sonst immer, zur Seite. Zaghaft stieß sie ihre
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