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Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt

Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt

Titel: Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: János Kertész
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parat. Nach einem kurzen Telefonat werde ich von einem Herr
mit dem Auto abgeholt. Er vermietet auf seinem Bauernhof, der allerdings fünf
Kilometer abseits meines Weges liegt, Zimmer mit Halbpension. Über den Umweg
brauche ich mir keine Gedanke zu machen: Morgen früh bringt er mich zum
Jakobsweg zurück. Besser hätte ich es nicht treffen können!
    Den ersten Tag nach der Pause habe ich
gut überstanden. Außerhalb der Dörfer bin ich heute keinem Menschen begegnet,
keinem Bauer, keinem Wanderer, keinem Pilger.
     
     

Freitag, am 23. Mai
Von Lascabanes nach Lauzerte
    Vogelgezwitscher und Sonnenschein wecken mich. Ich habe sehr gut geschlafen, meine
Bronchitis ist wie weggepustet, meine Laune die allerbeste.
    Nach dem Frühstück bringt mich mein
Gastgeber mit seinem Wagen zu dem verlassenen Jakobsweg zurück. Dabei fahrt er
im Schrittempo, damit ihm Zeit bleibt, mir die Geschichte seines Lebens zu
erzählen. Er kommt aus der Normandie, wo er Ziegenkäse hergestellt und verkauft
hat. Zwanzig lange Jahre ist er von Haustür zu Haustür gegangen; dazu die
Pflege der Tiere und die Herstellung der Käse, achtzehn bis neunzehn Stunden
täglich sind schon zusammengekommen. Das Ergebnis: vier schöne Häuser und zwei
kaputte Knie. Diesen Hof hat er selbst renoviert. Hier will er, als
Altersbeschäftigung, Feriengäste bewirten. Aus dem ehemaligen Kuhstall wurde
ein Speisesaal mit Theke, aus der Scheune das Gästehaus.
    Ich verabschiede mich und folge dem
nach Westen führenden grasbewachsenen Feldweg. Es ist warm. Der sonnige Himmel
ist mit einem Hauch von Zirruswolken überzogen. Links ein weites Weizenfeld,
rechts begrenzen Eichen meinen Weg. Ich fühle mich leicht und die Freude
darüber läßt mir das Herz überquellen, indem ich laut rufe: „Gott, Deine Welt
ist unbeschreiblich schön! Ich danke Dir, daß Du mir es erlaubst, sie zu
sehen!“ Dann schaue ich vorsichtig um mich, aber niemand ist in der Nähe, der
sich über meinen Gemütsausbruch wundern könnte.
    Bald erreiche ich die innen und außen
schmucklose romanische Kapelle St-Jean. Auf dem steinernen Alter sind ein
Gästebuch ausgelegt. Auch wenn hier offensichtlich keine Messe mehr gelesen
wird, lasse ich mich nicht abhalten, der eben empfundenen Freude und
Dankbarkeit Gott gegenüber in einem kurzen Gebet Ausdruck zu geben.
    Ich blättere in dem Gästebuch und
hoffe, von Michel oder Pierre eine Nachricht zu finden. Leider vergebens.
    Ich passiere die weitläufige Parkanlage
des Château de Charry, ein Schloß aus dem 16. Jahrhundert. Der Bau mit den
runden Wehrtürmen ist hinter hohen Bäumen versteckt und kaum sichtbar. Der
Fußpfad verläuft am Zaun der Anlage entlang. Das gut gesicherte Privatgelände
ist für Fremde gesperrt, das Hintertor ist mit Kamera, Funksperre und
Scheinwerfer bewacht. Rechts von mir liegt der Wald, die Natur; links dieses
abweisende fremde Sperrgebiet. Kein Lebewesen ist zu sehen. Mich schaudert’s.
Dann aber höre ich, wie ein unsichtbarer Kuckuck ay$ dem Wald mit einem
unsichtbaren Pfau aus dem Park streitet. Das finde ich wiederum lustig.
    Es ist warm geworden. Als ich an der
anderen Talseite des Baches Rau du Tartuguié die Höhe erklimme, kehre ich in
einen Bauernhof ein, um meine Wasserflasche nachzufüllen. Der Mann, der mir
Wasser gibt, freut sich darüber, daß ich nach Santiago möchte, weil das schon
fast in Portugal ist, in seiner Heimat. Er ist Portugiese. Ja, sagt er, hier
ist es schön, aber Portugal ist noch viel schöner. Nur Arbeit, die gibt es dort
zu wenig.
    Für die Mittagspause wähle ich die
Rasenfläche einer Weggabelung hinter den letzten Häusern von Montlauzun. Heute
suche ich den Schatten; bis jetzt konnte ich von der Wärme der Sonne nicht
genug haben. Über mir sammeln tausende von sprichwörtlich fleißigen Bienen den
guten Lindenhonig. Ihr Summen wiegt mich in Schlaf.
    Als ich aufwache, ist es mir doch zu
kalt. Es ist ein kühler Wind aufgekommen und meine Kleidungsstücke sind noch
immer schweißnaß. Also weiter!
    Fürs Aufwärmen ist gesorgt, der Pfad
geht wieder steil aufwärts und als ich den mit Eichen und Wacholder bewachsenen
Hügelrücken erreiche, ist mir wieder angenehm warm.
    Hier oben treffe ich die ersten Pilger
seit Cahors. Sie, drei Frauen und zwei Männer, sitzen beim Mittagsmahl. Es
freut mich, wieder „echte“ Pilger zu sehen. Eine Ehepaar, André und Nadine,
kommen aus Paris gelaufen und wollen in diesem Jahr bis zur spanische Grenze.
Palma, eine kleine drahtige

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