Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
wichtig, was Sie Herrn Strauss zu sagen haben?“
„Ja … also ich denke, es wäre ihm sehr wichtig. Er hat mich ja sozusagen beauftragt damit.“
„Warten Sie einen Moment. Ich sag Ihnen gleich, wo er ist.“ Sie raschelt mit irgendwelchen Papieren. „So, hier ist es. Haben Sie was zu schreiben?“
Zehn Minuten später bin ich unterwegs ins Krankenhaus. Strauss' Haushälterin hat mir die Station und die Zimmernummer gegeben … zum Glück nicht Intensiv. Während ich mich in meinem kleinen Auto durch den Verkehr schlängele, schwanke ich zwischen Furcht und Hoffnung. Was, wenn er jetzt stirbt … wenn er stirbt, noch bevor ich bei ihm bin? Vielleicht ist er überhaupt nicht mehr ansprechbar. Und sofort die Gegenstimme: Ach Quatsch, so schnell stirbt man nicht. Gestern hat er noch geholfen, den Wäschekorb ins Auto zu laden. Wieso sollte er dann heute … Und wieder die Furcht: Vielleicht ist er gestürzt … oder er hatte einen Schwächeanfall. Vielleicht hat er gestern seine letzten Energiereserven verbraucht, vielleicht hast du ihn gestern zu sehr …
Schluss jetzt! Ich werde erst Bescheid wissen, wenn ich bei ihm bin. Autoradio an und Fenster auf … und gib mal 'n bisschen Gas, Lena!
***
Ich bin vom Klo gefallen.
Strauss lacht, seine Tochter nicht.
„Das hätte ich mir auch nicht vorgestellt, dass ich mal vom Klo falle. Ich will aufstehen, da versagen die Beine und ich kippe einfach zur Seite weg.“
Die Tochter lacht immer noch nicht. Ich versuche, wenigstens zu schmunzeln.
Strauss sieht schlecht aus, schlechter als gestern. Mir scheint, als werde er mit jedem Tag weniger … und wahrscheinlich ist es auch so. Sein Gesicht verändert sich, immer mehr kommt der Knochen durch.
„Zumindest konnte ich noch spülen, bevor man mich gefunden hat.“ Strauss lacht. „Aber jetzt mal Themenwechsel. Frau Pander, es ist schön, dass Sie mich besuchen. Was haben Sie mir zu berichten?“
Strauss' Tochter – ihren Namen habe ich gerade vergessen – hebt sich vom Stuhl, geht zu ihrem Vater und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Ich lasse euch mal alleine. Ich muss mal nachsehen, was die Kinder machen.“ Bevor sie das Zimmer verlässt, wirft sie mir einen Blick zu, den ich nicht einordnen kann. Weiß sie, was ich und ihr Vater treiben? Weiß sie von dem Herbsthaus? Weiß sie von dem Geld, das er mir gegeben hat?
„Raus mit der Sprache. Was haben Sie für mich?“
„Ich war bei Frau Diehl, ich habe ihr das Kostüm gezeigt.“
Strauss richtet sich im Bett auf.
„Wie hat sie reagiert?“
„Ängstlich … dann wütend. Sie wollte erst das Kostüm haben, dann wollte sie, dass ich es zurück in den Keller bringe. Jedenfalls hat dieses Kostüm ihrer verstorbenen Schwester gehört … und anscheinend ist Frau Diehl vor ihrer verstorbenen Schwester ins Wohnzimmer geflüchtet. Das hat sie zwar nicht genauso gesagt, es ist aber am plausibelsten.“
Strauss sagt nichts, lächelt nur in sich hinein. Ich habe ihn in seinen Annahmen nur bestätigt, das hat sich der Mann alles schon gedacht.
„Vor ihrer verstorbenen Schwester geflüchtet“, wiederholt Strauss meine Worte.
„Ja … also zumindest scheint es so. Sie hat gesagt, dass sie im Wohnzimmer von ihr in Ruhe gelassen wird … im Gegensatz zum Schlafzimmer.“
Auf einmal beginnt der magere Körper des Mannes, der da vor mir im Krankenbett liegt, zu zittern. Strauss atmet schnell ein und aus, er lacht … oder weint er? Seine Schultern zucken, die Brust bebt. Er weint … und er lacht. Beides gleichzeitig.
„Herr Strauss, alles in Ordnung?“
Nur langsam beruhigt er sich.
„Ja, Frau Pander. Alles in Ordnung.“ Eine tiefe Zufriedenheit liegt in seiner Stimme. „Machen Sie mal die Schublade da drüben auf … und geben Sie mir mein Scheckbuch.“
Ich gebe ihm das Buch. Strauss stellt mir einen Scheck über 3000 Euro aus.
„Jetzt nehmen Sie schon, ich war auch mal Student. Kaufen Sie sich und Ihrer Freundin was Schönes.“
Und als ich zögere:
„Stecken Sie endlich dieses blöde Stück Papier ein. Ich bezahle Sie lieber im Voraus … wer weiß schon, in welchem Zustand ich in zwei Wochen bin. Vielleicht kann ich dann nicht einmal mehr diesen Stift hier halten.“
Noch rund eine halbe Stunde bin ich bei Strauss. Wir unterhalten uns über das Herbsthaus, über die Schwester von Frau Diehl, über die Anfertigung von Tierkostümen und über das verdammte Sterben. Strauss muss nicht besoffen sein, um ganz offen zuzugeben, dass er
Weitere Kostenlose Bücher