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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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gehört.
    Ich räuspere mich, mache mich gerade und klopfe dreimal an …
    Nichts … einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig … immer noch nichts.
    Ich klopfe stärker.
    Nichts … immer noch ni- … obwohl, ist da was? Sind das Schritte? Ja, das sind Schritte, langsame Schritte … sie nähern sich der Tür. Dann verdunkelt sich der Spion und sofort denke ich an das Schlüsselloch.
    Stille … dann wieder Schritte, sie entfernen sich von der Tür.
    „Frau Diehl, hallo Frau Diehl! Hören Sie mich? Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen.“
    Keine Reaktion. War ich laut genug? Hat sie mich gehört? Ich klopfe noch einmal … dann noch einmal. Wieder Schritte, dann die Stimme von Frau Diehl.
    „Machen Sie, dass Sie wegkommen!“
    „Frau Diehl, ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich bei Ihnen in dieses Zimmer rein bin. Bitte machen Sie doch auf, dann können wir uns über ein paar Sachen unterhalten.“
    Keine Antwort, nur Schritte, die sich entfernen. Klasse Lena, toll hinbekommen. Wenn ich weiter an die Tür klopfe, dann ruft sie am Ende noch die Polizei und sagt denen, dass ich sie belästige. Plötzlich wieder Frau Diehls Stimme:
    „Gegen Sie weg, sonst rufe ich die Polizei!“
    Fast muss ich lachen. Als hätte ich es mit meinen Gedanken heraufbeschworen. Okay, ich gehe … aber ich gehe nicht zurück in die Wohnung, ich steige die Treppen hinunter in den Keller. Mir ist eine Idee gekommen von der ich nicht weiß, ob sie eine saublöde oder eine ganz ausgezeichnete ist.
    Fünf Minuten später bin ich wieder im vierten Stock, neben mir im Wäschekorb das Affenkostüm. Es war noch dort, wo ich es gelassen habe, es hat sich während meiner Abwesenheit nicht mit Leben gefüllt.
    Dreimal klopfe ich an die Tür …
    Nichts, keine Schritte, kein Drohen mit der Polizei. Ich gehe mit dem Mund ganz nahe an den Türspalt.
    „FRAU DIEHL, SIE MÜSSEN MIR NICH AUFMACHEN. ABER BITTE KOMMEN SIE AN DIE TÜR UND SCHAUEN SIE DURCH DEN SPION. ICH MUSS IHNEN ETWAS ZEIGEN.“
    Zehn Sekunden vergehen, zwanzig Sekunden, dreißig Sekunden. Dann leise Schritte.
    „FRAU DIEHL. BITTE SEHEN SIE KURZ DURCH DEN SPION, ICH MUSS IHNEN ETWAS ZEIGEN.“
    Die Schritte kommen näher, eigentlich sind sie eher ein Schlurfen. Ich trete von der Tür zurück und zerre das schwere Affenkostüm aus dem Wäschekorb. Mit einer Hand packe ich das stinkende Ding am Kopf, mit der anderen im Genick. Dann halte ich den Affenkopf vor den Spion. Oh Gott, was mache ich da … nicht dass die alte Frau einen Herzinfarkt bekommt, wenn sie das Ding sieht. Aber es ist zu spät. Das in stumpfes Metall gefasste Glubschauge verdunkelt sich, dann höre ich einen unterdrückten Schrei. Oh Scheiße! Soll ich nicht lieber den Generalschlüssel holen? Nicht, dass sie umgekippt ist … aber nein, das hätte ich gehört. Schon öffnet sich die Tür und ein von feinen Runzeln überzogenes Gesicht erscheint. Es sieht eher wütend aus als ängstlich.
    „Geben Sie das sofort her!“
    Die Tür geht ein Stück weiter auf.
    „Was fällt ihnen ein, geben Sie das auf der Stelle her!“
    Frau Diehls Stimme schwankt wie ein Floß auf hoher See, in ihr mischen sich Angst, Unglaube und mühsam unterdrückter Hass. Immer noch halte ich ihr den Affen entgegen.
    „GIB DAS VERDAMMTE DING HER!“
    Ich trete einen Schritt zurück, Frau Diehl tritt einen Schritt vor. Mit einer Hand hält sie sich am Türrahmen, die andere grapscht nach dem Kostüm.
    „Bitte beruhigen Sie sich, Frau Diehl. Gehört das Ihnen?“
    Die alte Dame zittert vor Wut, ihre Augen rollen im Schädel. Hoffentlich geht sie nicht gleich auf mich los.
    „Bitte Frau Diehl, beantworten Sie meine Frage. Gehört das Ihnen?“
    Die Antwort kommt gepresst, giftig. Frau Diehl würgt sie hoch und spuckt sie mir entgegen.
    „Das gehört meiner Schwester.“
    Ich wage eine weitere Frage, das ist meine Chance.
    „Ist ihre Schwester in diesem Kostüm aufgetreten?“
    Immer noch schaut mich die alte Frau hasserfüllt an. Zumindest hat das Zittern aufgehört, vielleicht beruhigt sie sich langsam. Plötzlich eine kurze, ruckartige Bewegung ihres Kopfes, die ich als Nicken interpretiere. Dann spricht sie wieder.
    „Bringen Sie dieses Kostüm auf der Stelle dorthin zurück, wo Sie es gefunden haben!“
    „Bitte Frau Diehl, beantworten Sie mir noch eine einzige Frage. Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie dann sofort in Ruhe lasse und das Kostüm auf der Stelle dorthin zurückbringe, wo ich es gefunden

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