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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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will.“ Paulas Stimme hört sich unwahrscheinlich kalt an. Am liebsten würde ich auf sie losgehen.
    „DU KANNST DOCH NICHT EINFACH DAS SCHEISS BRETT NACH DEM VOGEL WERFEN.“
    Paula schaut mich von oben herab an, immer noch dieses widerliche Grinsen in der Fresse.
    „Hör auf hier rumzubrüllen.“
    Nein, ich höre nicht auf. Ich kann einfach nicht fassen, was sie getan hat.
    „WAS ZUM TEUFEL IST LOS MIT DIR? DU HÄTTEST DEN UMBRINGEN KÖNNEN.“
    „Hör auf zu brüllen, Lena. Ich warne dich. Ich hab dir gesagt, dass du dem nichts zu fressen geben sollst.“
    Ich stehe auf, recke mich ihr entgegen. Aber sie ist immer noch fast einen Kopf größer als ich.
    „Am liebsten würde ich dir eine reinhauen.“ Die Worte kommen aus mir raus, ohne dass ich es will. Es ist die Art, wie sie mich ansieht, dieser scheiß arrogante Ausdruck.
    „Versuchs doch“, antwortet Paula.
    „Manchmal bis du so ein verdammtes Miststück. Ich hätte nie gedacht, dass du so was machst.“
    Paula dreht sich um und lässt mich stehen. Ihre letzten Worte im Weggehen: „Mach nicht so 'nen Zwergenaufstand wegen 'nem blöden Vogel.“
    Dann verschwindet sie im Schlafzimmer und schließt die Tür hinter sich. Ich gehe auf den Balkon, hebe mit zittrigen Fingern die Wurstscheibe auf und werfe sie hinunter. Sie landet auf dem Asphalt des Parkplatzes, ein kleiner fleischrosa Punkt auf grauer Fläche. Vielleicht ist der Rabe ja nicht verletzt, vielleicht findet er sie dort unten. Wenn ich ein Mann wäre und achtzig Kilo wiegen würde, dann würde ich ins Schlafzimmer gehen und der blöden Kuh eins … sofort schäme ich mich für diesen Gedanken. Gott, was für eine Scheiße! Erst einmal ruhig werden, erst mal Luft schnappen. Ich verlasse die Wohnung und gehe hinunter auf den Parkplatz. Ein und aus, ein und aus, ein und… was bildet die sich ein, diese beschissene … aus, ein und aus, ein und aus. Die Wurst liegt noch da, wo sie aufgeschlagen ist. Von dem Raben keine Spur. Ich stehe auf dem Parkplatz und hoffe, dass mein schwarzer Vogel nicht in irgendeinem Gebüsch verreckt.
    Das war gestern. Heute ist heute und wir haben in den letzten 24 Stunden kaum mehr als drei Sätze geredet. Die letzte Nacht habe ich im Wohnzimmer auf der Couch verbracht. Ist mir ganz recht, ich hasse dieses Schlafzimmer … außerdem konnte ich hier das Licht anlassen. Während des Frühstücks haben wir uns angeschwiegen und Blickkontakt vermieden. Dann hat jede ihren Kram erledigt und jetzt gerade zieht sich Paula Jacke und Schuhe an.
    „Tschüss.“
    „Ja … tschüss.“
    Mehr ist verabschiedungstechnisch nicht drin, mehr will ich auch nicht. Das hier ist kein Streit, den man später unter Sex und Lachen begräbt. Nie hätte ich gedacht, dass sie so brutal sein kann.
    Als Paula zur Tür raus ist, da gehe ich zum Küchentisch, setze mich auf einen der alten Stühle und schaue hinaus auf den Balkon, schaue hinaus auf das scheiß Wetter, das einfach nicht besser wird. Nichts, nur Metall und rissiger Beton. Kein schwarzer Vogel, der bettelnd den Kopf schief hält. Nach dem, was er hier erlebt hat, wird er nicht mehr kommen, ganz sicher nicht. Paula hat ihn vertrieben … sie hat ihn mir weggenommen. Ich hoffe nur, sie hat ihn nicht umgebracht, ihm irgendwas im Hals zerquetscht oder ihm die Wirbel zertrümmert.
    Eigentlich müsste ich heute an die Uni, sowieso habe ich die letzten Tage viel zu viel geschwänzt. Wenn ich so weitermache, dann krieg' ich noch richtig dicken Ärger.
    Stöhnend stehe ich auf, ziehe mir eine Jeans an und bringe mich im Badezimmer in einen halbwegs vorzeigbaren Zustand … okay, das muss reichen. Sollte ich in einen Schönheitswettbewerb geraten, dann mach ich mich eben unauffällig vom Acker. Schlüssel, Portemonnaie, Rucksack, Handy, Lipgloss … und raus hier.
    Als ich meine Hand auf die kalte Türklinke lege, da höre ich etwas. Es kommt von draußen, vom Flur. Ist der Pflegedienst bei Frau Diehl? In exakt demselben Moment, in dem ich die Wohnungstür öffne, höre ich eine andere Tür ins Schloss fallen. Die sind spät dran heute.
     
    ***
     
    Fast wäre ich draufgetreten. Ich war so auf die Geräusche konzentriert, dass ich dieses grüne Viereck, das da vor mir auf dem Boden liegt, überhaupt nicht gesehen habe. Was ist das? Ein Buch? Ich hebe es auf und gehe mit dem in grünen Stoff gebundenen Büchlein zurück in die Wohnung, lege den Rucksack ab und setze mich an den Küchentisch. Okay, mal sehen … das kann eigentlich nur von

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