Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
behaupten, dass Paula gedroht hat, sich das Leben zu nehmen. Dann müssen sie die Tür aufbrechen, dann sind sie gesetzlich – ja, gesetzlich! – dazu verpflichtet. Und was dann? Was, wenn Paula denen sagt, dass mit ihr alles okay ist?
Auf einmal werde ich ganz ruhig, Körper und Geist erschlaffen. Ich habe eingesehen, dass ich nicht hinein kommen werde. Aber trotzdem kann ich etwas tun. So, du verdammtes Stück Scheiße, Margarete heißt du also … was ist jetzt? Bist du jetzt bei Paula? Bist du in meiner Wohnung bei meiner Freundin? Mal sehen, wie dir das gefällt!
Ich laufe am Aufzug vorbei und laufe die Treppen bis ganz nach unten, bis in den Keller. Tür auf, Licht an, und schon bin ich bei ihren … bei deinen! Sachen. Ich öffne das Kellerabteil, greife mir einige deiner altmodischen Kleider – das sind doch deine, oder? – und werfe sie auf den Boden. Dann quetsche ich mich an dem Regal mit den Puppen vorbei bis ins hintere Ende des Abteils, in die Lücke zwischen Schrank und Kellerwand.
Als ich das große, schwarze Gesicht mit den Reißzähnen sehe, da taumle ich zurück, mein Magen verkrampft sich. Paula muss hier unten gewesen sein, sie hat das Ding aus dem Wäschesack genommen und aufrecht an die Wand gehängt. Ich bin mir ganz sicher, dass ich das Kostüm wieder in den Wäschesack gepackt hatte. Ich hatte Frau Diehl versprochen, das Ding wieder dorthin zurückzubringen, wo ich es gefunden habe … und das habe ich ganz sicher auch gemacht!
Mit einem lauten Ratsch – habe ich dir wehgetan, du blöder, hässlicher Affe? – reiße ich das Kostüm von der Wand, packe es im Genick (warum fühlst du dich so hart an? Hast du plötzlich Knochen?) und schleife es aus dem Kellerabteil. Mit der Linken raffe ich die Kleider zusammen, die ich auf den staubigen Boden geworfen habe, klemme sie mir unter den Arm und laufe Richtung Ausgang. Das sind deine Sachen, Miststück! Und jetzt pass mal auf, was ich damit mache!
Schon bin ich aus dem Haus, schon bin ich auf dem grauen Parkplatz. Ich lasse das schwere Kostüm auf den Boden klatschen, werfe die Kleider dazu und gehe zu meinem Wagen. Irgendwo im Auto muss ein Feuerzeug sein, irgendwo muss … ja, im Handschuhfach. Eines dieser durchsichtigen Dinger, wo man das Flüssiggas sieht. Jetzt werde ich den ganzen Dreck verbrennen, dein Kostüm, in dem du dich versteckt hast, deine blöden Kleider. Oh hallo, da ist ja auch dieser gelbe Fetzen, mit dem mich Paula fast zu Tode erschreckt hat … dieses Ding, von dem ich geträumt habe. Gleich wird der ganze Dreck in Flammen aufgehen …
… oder auch nicht. Über eine Minute schon halte ich die Flamme an den alten Stoff, doch er brennt nicht. Er stinkt und schmort, wird auch schwarz. Aber wo ist das große, alles verzehrende Feuer, das ich mir so wünsche?
Ich versuche es mit dem Affenkostüm. Das Fell verbrennt und gibt einen giftig-scharfen Geruch von sich. Das Leder aber hält stand, wird nur noch schwärzer. Ich schaffe es einfach nicht, dass dieser Haufen Feuer fängt, es brennt immer nur da, wo meine Flamme ist … und langsam geht das Gas zur Neige. Sind die ganzen Sachen feucht, weil sie so lange im Keller gelegen haben? Wieder brennen nur ein paar Affenhaare ab? Ich möchte das Ding verbrennen, nicht enthaaren!
Als kaum noch Gas in dem Feuerzeug schwappt, da ändere ich meinen Plan. Ich packe das stinkende Affenkostüm am Genick und stopfe es in den Kofferraum meines Wagens. Nicht, das du mir abhaust, während ich weg bin! Nicht, dass du in irgendein Gebüsch kriechst! Dann fahre ich zur nächsten Tankstelle, schnappe mir im Shop einen 5 Liter-Reservekanister, gehe zu einer der Säulen und fülle ihn mit Benzin. Die Kassiererin schaut irritiert, als ich ihr den vollen Kanister auf die Theke stelle, rechnet dann aber beides ab: Kanister und Benzin. 4,6 Liter. Warum steht da 5 Liter drauf, wenn nur 4,6 Liter reingehen?
Während ich zurück zum Herbsthaus fahre, höre ich neben mir Benzin gegen Plastik schwappen. Gleich werde ich ein Freudenfeuer entfachen, gleich werde ich dein Kostüm verbrennen, deinen Schutz davor, dass man dein kaputtes Gesicht sieht. Als Kind mit dem Gesicht auf den Rand eines Metalleimers gefallen … dumme Sache das, wirklich scheußliche Angelegenheit. Trotzdem gibt dir das nicht das Recht, mir Paula wegzunehmen!
Im Scheinwerferlicht der Kleiderhaufen … alles wie zuvor. Ich schwinge mich schnell wie die Feuerwehr aus meinem Auto, zerre den angekokelten Affen aus dem Kofferraum,
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