Villa Oma
warm.“
Den ganzen Rückweg über sammelten die Kinder Steine und Stöckchen, warfen sie fort, und Fiffi lief hinterher, um sie zu suchen. Er kläffte so vergnügt, wie man es bei ihm gar nicht kannte, und zitterte kein bißchen mehr. Ab und zu wälzte er sich vor lauter Übermut im Straßenstaub, was Frau Hubermeier zu kleinen entsetzten Schreien veranlaßte.
Die Schwalben
Oma und Peter kamen die Straße entlang, die aus dem Dorf zu Lehrer Pieselangs Häuschen führte. Peter hatte den Schulranzen auf dem Rücken, und Oma trug eine Einkaufstasche. Vorige Woche war es noch warm und sonnig gewesen, aber nun, obgleich erst Ende September, war es kalt. Sie mußten gegen einen eisigen Wind ankämpfen. Peter tränten die Augen, und es fror ihm die Nasenspitze.
„Es ist ein Wetter wie im Dezember“, sagte Oma und blickte besorgt in den Himmel. „Ich glaube, wir kriegen Schnee.“
„Hurra“, rief Peter. Aber Oma schüttelte den Kopf.
„Schnee, so früh im Jahr, kann viel Unglück für Pflanzen und Tiere bringen.“
Eine Weile gingen sie schweigend. Selbst Peter, der sonst eine Plaudertasche war, hielt wegen des Windes den Mund geschlossen. Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Vor seinen Füßen hockte eine Schwalbe. Sie saß dort, die Flügel zusammengefaltet und blickte ihn aus ihren schwarzen Äuglein unruhig an.
„Oma, sieh mal.“ Peter bückte sich und hob den Vogel auf, was er sich widerstandslos gefallen ließ. „Ob er krank ist?“
Oma strich mit ihrem Zeigefinger leise über das schwarze Köpfchen. „Vielleicht ist es die Kälte. Wir werden ihn mit nach Hause nehmen und vorsichtig aufwärmen.“
Peter hielt den ganzen Weg über das Vögelchen in der einen Hand und hatte die andere wie ein Dach darübergedeckt . Es kuschelte sich in seinen warmen Wollhandschuh und war ganz still. Doch sein Herz klopfte so stark, daß Peter es durch den Handschuh spürte. Als sie nach Hause kamen und Peter seinen Fund vorzeigen wollte, war dort schon große Aufregung. Auf dem Fensterbrett saß ein Schwalbenpärchen dicht aneinandergerückt und blickte ängstlich auf die Mutter und den kleinen Rolf, die versuchten, es mit Haferflocken zu füttern. Die beiden Tierchen waren durch das offene Küchenfenster hereingekommen. Peter setzte seine Schwalbe dazu, und als sie wärmer wurde, fing sie jämmerlich an zu piepsen. Wie kläglich sahen die Vögelchen jetzt aus, plump und unbeholfen. Im Sommer kannten die Kinder sie als flinke, elegante Flieger, die am blauen Himmel in schönen großen Bögen dahinjagten und plötzlich gewandt einen Haken schlugen, um ein Insekt zu erhaschen. Wie Vater Pieselang den Kindern erzählt hatte, fraßen Schwalben fast nur im Flug.
„Vielleicht müssen wir die Haferflocken in die Luft werfen, damit sie sie fressen“, schlug Peter vor und fing gleich damit an, begeistert nachgeahmt von dem kleinen Rolf. Aber als sie aus dem Flockengestiebe wieder auftauchten, mußten sie nur niesen. Die Vögel saßen weiter als traurige kleine Klümpchen auf dem Fensterbrett.
„Sie werden nur Fliegen oder Würmer fressen“, sagte Oma.
Peter und Rolf gingen gleich auf die Fliegenjagd und hatten tatsächlich Erfolg. Das Schwalbenpärchen, das schon in der Küche etwas aufgetaut war, ließ sich dazu herab, kleine Fliegen zu verspeisen. Als Brigitte von der Schule nach Hause kam, gab es eine neue Überraschung. Sie trug in jeder Manteltasche ein erstarrtes Schwälbchen und ihre Freundin Karoline von der Hühnerfarm sogar drei.
„Der Wind und die plötzliche Kälte haben einen Zug Schwalben überrascht, der in den Süden fliegen wollte“, sagte Oma. „Wir müssen draußen suchen, ob wir nicht noch mehr Tiere finden.“
In diesem Augenblick hörten sie eine Nachbarin rufen: „Frau Pieselang, sehen Sie nur, da liegen ja lauter erstarrte Vögel!“
„Wo ist Jan?“ fragte Oma.
„Er muß mit seiner ganzen Klasse nachsitzen und eine Strafarbeit schreiben, weil sie heute so schlecht ihre Schularbeiten gemacht hatten.“
„Welch ein Glück!“ rief Oma. „Da, nimm sofort das Fahrrad, Brigitte, und bitte den Lehrer, daß er mit der Klasse rasch hinausgeht, um Schwalben einzusammeln und in unsere Küche zum Aufwärmen zu bringen. Nimm ein paar Körbe und Taschen mit und verteil sie.“
Dann rief Oma ihren Sohn, den Lehrer Pieselang, in der nächsten Kleinstadt an und bat ihn, auf dem Heimweg von seiner Schule aus der Tierhandlung des Ortes so viele Mehlwürmer wie möglich
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