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Villapark - Koestlbachers zweiter Fall

Villapark - Koestlbachers zweiter Fall

Titel: Villapark - Koestlbachers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Fenzl
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bekam, als die Doris
schon 9 Jahre alt war.
    Das mit den Gothics, damit hat die Doris schon angefangen, als sie im AAG
noch in der 6ten oder 7ten Klasse war. Sie fand es einfach geil, wie sich die
Gleichgesinnten kleideten und wie sie miteinander abhingen. Und noch etwas
imponierte ihr: Die Gothics waren nicht nur eine Gruppe von jungen
Leuten so zwischen 12 und 22. Da waren auch 35jährige dabei, ja sogar Familien
mit ihren Kindern, die aus der Szene nicht ausgestiegen waren, als die Kinder
kamen, sondern weiter aktiv blieben und ihre Kids zu den Treffen einfach
mitgebracht haben. Und das äußere Erscheinungsbild der Gothics fand die
Doris einfach cool! Ganz nach ihrem Geschmack! Frech! Frivol, wenn es sein
musste! Dominant schwarz mit krassen Farbgegensätzen. Insgesamt einfach spacig!
Und doch wiederum nicht so schmuddelig wie die Punks, mit denen der oberflächliche
Betrachter die Gothics oft in einen Topf wirft. Oder auch nicht so
unberechenbar, wie die Satanisten, deren düsteres Outfit ebenfalls dazu
verleitet, in ihnen Anhänger der Gothics zu sehen.
    Im Grunde genommen waren und sind die Gothics friedfertige Leute, die
sich der mittelalterlichen Musik, vermischt mit harten elektronischen Klängen,
verbunden fühlen, Leute, die vielleicht einen Tick mehr als andere
Gruppierungen, das Bedürfnis haben, optisch vor allem durch die Farbe Schwarz
aufzufallen.
    Und weil alle Schattierungen von Rot besonders gut passend zu Schwarz,
drum ist es auch nie weiter jemandem groß aufgefallen, wenn die Doris so
zwischendurch mal ganz in Pink in Erscheinung getreten ist, zumal sie nicht die
einzige Gothic in Regensburg war, die offensichtlich eine Vorliebe für Pink
hatte.
    Nur wenn die Doris die Evi getroffen hat, dann hat sie nie ihre rosaroten
Klamotten getragen. Gut, du kannst nicht immer wissen, ob dir deine
Schwester nicht auch einmal zufällig über den Weg läuft. In so einem Fall
ist es dann aber wichtig, deine Aufmachung runterzuspielen. Weil du
glaubst gar nicht, wie so eine kleine Schwester Nachahmung und so, weil die
große Schwester Vorbildfunktion. Ich meine, im Grunde genommen wäre so etwas ja
weiter nicht schlimm. Aber wenn du weißt, welche Bedeutung es jedes Mal hatte,
wenn die Doris ihren pinkenen Fummel überzog, dann würdest du als Doris auch
alles tun, damit dir deine kleine Schwester es dir nicht nachmacht. Sogar die
Doris wollte das alles schon lange nicht mehr, aber wenn du glaubst, da kommst
du so einfach wieder raus, wenn du da erst einmal damit angefangen hast, dann
irrst du dich gewaltig.
    Ich glaube nicht, dass der alte Münzer von alledem auch nur den Hauch einer
Ahnung gehabt hat, weil so cholerisch wie der war, der wäre ausgerastet. Aber
seit dem Umzug der Doris in ihr Appartement hatte er nur noch sehr sporadische
Kontakte zu seiner Tochter. Einen offenen Streit hatten die beiden schon länger
nicht mehr. Letztendlich, die Doris seit ihrem 18ten Geburtstag quasi erwachsen
und Konfrontation nur mehr auf gleicher Augenhöhe möglich, zumindest bezüglich
verbaler Argumentationen wie:
    ›Solange du nicht volljährig
bis, hast du zu tun, was ich sage!‹,
    Aber die Doris Anklage in ihren Augen sondergleichen, wenn die ihrem Vater
im Visier und gleichzeitig im Blick den Satz in Großbuchstaben:
    ›ICH BIN VOLLJÄHRIG!‹
    Und dieser Satz sollte auch noch eine Warnung sein, nicht nur ein Hinweis
auf etwas, was der alte Münzer bestimmt nicht vergessen hatte.
    Ihr Appartement in der Von-der-Tann-Straße hatte die Doris nett
eingerichtet. Gar nicht so, wie du es von einer Gothicbraut erwarten
würdest. In keinster Weise mittelalterlich spartanisch. Davon war in dem
Appartement der Doris wirklich gar nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil. Alles
hatte eher einen Hauch von High Tech. Der 42 Zoll Fernseher war sogar etwas
überdimensional gewählt.
    Ein paar Stunden vor ihrem Auftritt in den Arcaden hatte die Doris ihre
Schwester von der Von-der-Tann-Grundschule abgeholt. Normalerweise wäre die
Clara nach dem Unterricht zur Tante Emma in die Hemauerstraße vorgegangen.
Aber die Emma Herzog, Papas Schwester, war beim Arzt, und die Doris hatte
versprochen, fürs Mittagessen zu sorgen.
    »Haben sich Papa und Mama schon bei dir gemeldet?«, wollte die Doris
wissen, nachdem die Evi am kleinen Esstisch im Appartement von der Doris,
nur zwei Minuten entfernt von der Grundschule, Platz genommen hatte, um
auf die Spaghetti Caprese zu warten, die von ihrer großen Schwester noch
gezaubert werden

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