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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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das sie in den Resten des Weltenkreuzers gefunden hatten, war von den enormen Kräften des Absturzes zerquetscht und radioaktiv verseucht worden. Dieses Wrack hatte ihnen einen langen Umweg aufgezwungen, auf dem sie die Orientierung in dieser schier endlosen technischen Wüste verloren.
    »Landeschiffe haben Flugzeuge und Gleiter an Bord«, sagte Barbara.
    »Und sie verfügen über einen Landau-Modulator«, sagte Jonathan leise, »und ich könnte mit meinem Onkel auf Atibon Legba sprechen, als wäre er im Nebenzimmer.«
    »Mit deinem Onkel?« Barbara verstand nicht.
    »Mein Onkel ist Kapitän«, sagte Jonathan, »und wir Karnesen haben eine Menge Familienbindung, wenn auch nicht so schlimm wie die Serafimer. Wie ich meinen Onkel kenne, ist er wenige Tage später mit einem Rettungskommando hier und holt uns aus dieser Regenhölle heraus.« Er seufzte. »Es ist erst ein paar Monate her, da habe ich mit ihm gesprochen.«
    Der Weg hinunter zu dem Landungsschiff dauerte zwei ganze Tage. Das ausgebrannte Segment war zu gefährlich, um sich außen daran abzuseilen; es hätte jeden Augenblick vollends zusammenbrechen können. Also mussten Barbara Brewka und Jonathan Vliesenbrink die verschlungenen Wege der letzten zwanzig Stunden wieder zurückgehen, um an jene Stelle zwischen den wie Hochhäuser emporragenden Segmenten zu gelangen, wo sie ihren Aufstieg zu dritt begonnen hatten. An derselben Stelle übernachteten sie, und ein Platz unter dem Überhang, der sie vor dem Regen schützte, blieb frei. Keiner der beiden verlor ein Wort darüber.
    Der Weg zwischen den Trümmern hindurch zum Wrack des Landeschiffes war bei Weitem mühseliger, als sich durch das Gewirr der Segmente zu kämpfen. Die großen Teilstücke, in die sich der niedergehende Weltenkreuzer zerlegt hatte, waren mehr oder weniger gesteuert hinuntergegangen. Die meisten hatten über der Oberfläche abgebremst, ehe sie aufsetzten. Das war nicht immer sanft vonstatten gegangen, aber das Chaos in den Segmenten hielt sich in Grenzen. Zwischen den Blöcken allerdings türmten sich die Überreste jener Teile des Riesenraumschiffes, die nicht das Glück gehabt hatten, kontrolliert herabzukommen. Hier herrschte pure Zerstörung und ein Durcheinander, das von einem teuflischen, verdrehten Verstand eigens zu dem Zweck ersonnen schien, jeden in den Wahnsinn zu treiben, der es wagte, seinen Fuß in das Wirrwarr zu setzen. Und immer, wenn sie an Flecken der einheimischen Vegetation vorbeikamen, die das Inferno des Absturzes überstanden hatten, überkam Barbara das Gefühl, sie werde aus dem düsteren Gewirr von Ästen und krank aussehenden Blättern heraus angestarrt. Fast bildete sie sich eindringlich blickende Augen ein, und dann drängte sie den Karnesen zu größerer Eile, nur um von diesem idiotischen Angstgefühl wegzukommen.
    Barbara und Jonathan waren zu einem Kurs voller Umwege gezwungen. Ohne Barbaras Erfahrungen aus mehreren Planetenerkundungen hätten sie die Orientierung bereits nach ein paar Stunden verloren. Und es fehlte ihnen Claudius – auf den Irrwegen der vergangenen Tage war es oft die pure Muskelkraft zweier Karnesen gewesen, die Hindernisse aus dem Weg geräumt hatte, die jetzt unüberwindlich waren. Jonathan versuchte nur ein einziges Mal, ein für ihn offensichtlich zu schweres Trümmerstück anzuheben. Sein Gesicht wurde tiefrot, und an den Schläfen traten die Venen hervor. Barbara schüttelte den Kopf, und langsam entspannte sich der Mann wieder. Es hatte keinen Sinn, seine Kräfte so zu verschwenden. Und noch weniger Sinn hatte es, Jonathan wegen des Versuchs Vorwürfe zu machen. Nach der Katastrophe der VILM VAN DER OOSTERBRIJK war Claudius sein Familienersatz gewesen, der einzige andere Karnese im Lager und alles, was ihn an Karna erinnern konnte.
    An einer Stelle auf ihrem Pfad quoll ein weißer Gletscher aus geborstenen Containern; ein seltsamer Anblick in dem andauernden Regen. Barbara und Jonathan machten einen Umweg von wenigen Minuten, um das Phänomen zu studieren. Das Eis erwies sich als künstlich: Es war zerbrochenes Geschirr, Handelsware aus den berühmten serafimischen Porzellinen. Eine Flut Scherben rieselte aus den Behältern, der Boden in der Umgebung war vom feuchten Porzellanstaub hellgrau eingefärbt. Barbara steckte die Hand in den Haufen, in der unsinnigen Hoffnung, eine Tasse zu finden, die nicht zerbrochen war. Eine feine serafimische Kaffeetasse, schlank, dünnwandig und elegant. Aber der Gletscher gab kein Stück

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